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Zwischen Wind und Wetter

Zwischen Wind und Wetter

Titel: Zwischen Wind und Wetter
Autoren: Ulrich Straeter
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in Arthur’s Town hatten mich völlig den
aufgeschlitzten und nur notdürftig mit Tesaband geflickten Reifen vergessen
lassen. Oh, damned!
    Da hieß es,
die Ärmel hochzukrempeln, die Packtaschen abzuschnallen und am Straßenrand das
Hinterrad auszubauen. Als wir den Mantel abgehoben hatten, sahen wir die
Bescherung. Trotz aller Bewunderung für die Leistungen der Firma Tesa war der
Riß im Reifen wieder durchgescheuert, der Schlauch hatte eine erneute Puncture.
Das Ding hatte viel zu lange gehalten und uns in Sicherheit gewiegt.
    Heute war
Samstag, fiel uns ein. Auch das noch.
    »Du mußt
nach Waterford, es versuchen !«
    Ilse begann
bereits, mein Fahrrad zu erleichtern und sich am Straßenrand etwas
einzurichten.
    Oh, damned!
Wenn ich doch schon richtig irisch fluchen könnte.
    Ich schwang
mich auf’s Rad. Die schönen Kilometer wieder zurück, wieder über die Brücke,
hinein in das Verkehrsgewimmel, Richtung Einkaufszentrum. Mühsam fragte ich
mich durch nach einem Bicycle Shop, traf mehrmals auf Auswärtige, die sich
nicht auskannten. Schließlich fragte ich in einem Schuhladen nach einem
Fahrradladen, doch der Verkäufer war aus einer anderen Stadt, arbeitete nur
samstags in Waterford und wußte nicht, wo es einen Bicycle Shop gab. Wieder
wollte ich irisch fluchen können. Da schaltete sich ein Kunde ein. Die nächste
Straße rechts, dann zwei Straßen weiter, ganz in der Nähe... Es stimmte. Nur
hatte der Laden längst aufgegeben, war der zunehmenden Konkurrenz der
vierrädrigen Fahrzeuge nicht mehr gewachsen gewesen. Ich sah auf die Uhr: kurz
vor eins. In Deutschland wären jetzt alle Läden verriegelt und verrammelt.
    Der einzige
Mensch, der in diesem Moment durch die Gasse kam, war ein junger Mann, der sich
meiner annahm. Es gäbe sehr wohl noch einen Fahrradladen, ungefähr zehn Minuten
entfernt, schwierig zu erklären. Er versuchte es, entschloß sich dann aber,
mich zu begleiten. Unterwegs erklärte er mir allerdings ein Problem, das
möglicherweise auf uns zukäme. Er sagte ‘uns’, als sei es auch sein Problem:
die Mittagspause. Meine Befürchtung, ob am Samstagnachmittag überhaupt geöffnet
sei, zerstreute er. Surely, surely, ganz bestimmt.
    Er hatte recht . Kurz nach eins standen wir vor verschlossener Tür.
Sorry closed wegen der Lunchtime. Aber von zwei bis fünf Uhr p.m., nachmittags,
geöffnet. Auch heute. Mein irischer Helfer war untröstlich wegen der
einstündigen Mittagspause, überlegte bereits andere Lösungen. Nur mühsam konnte
ich ihn überzeugen, daß es mir nichts ausmachen würde zu warten, um mir seine
Heimatstadt anzusehen.
    Mit den
besten Wünschen verabschiedete er sich.
    Ich
schlenderte los, spürte auf einmal meinen Magen. Post und Banken hatten seit 13
Uhr geschlossen, etliche Läden aber durchgehend geöffnet. Ich holte mir
irgendwo ein französisches Weißbrot, kaufte dann in einem kleinen Obstladen
eine Apfelsine gegen den Durst. Der Junge, der mir die Apfelsine anbot,
verstand die Welt nicht mehr. Daß jemand nur eine einzige Apfelsine kaufen
wollte für 20 p, obwohl es doch laut Angebotsschild sechs Stück für nur 99 p
gab. Zweimal rechnete er mir die Vergünstigung vor. Ich blieb stur, traurig
kassierte er das 20 p Stück und blickte mir nach. Touristen waren doch seltsame
Menschen...
    Die Iren
schaufelten immer noch Kuchen und süße Teilchen in sich hinein; Sahnebomben und
Teilchen mit giftgrünem oder rosarotem Belag, man konnte vom Hinsehen satt
werden. Punkt zwei Uhr stand ich wieder vor dem Fahrradladen. Eine freundliche
Irin öffnete. Ich erstand einen passenden Reifen, der mit Tesafilm auf ein
erträgliches Maß zusammengebunden wurde, so daß ich ihn mit einer Gummispinne
auf dem Gepäckträger befestigen konnte.
    Bei
beginnendem Nieselregen, aber guten Mutes, verließ ich Waterford auf’s Neue.
    Während mir
die Zeit wie im Fluge vergangen war, saß Ilse am Straßenrand und zählte die
Minuten. Je länger ich wegblieb, um so schwärzer
wurden ihre Gedanken. Sie konnte nicht wissen, warum es so lange dauerte. Fast
glaubte sie an einen Unfall, überlegte verzweifelt, was dann zu tun sei...
    Ziemlich
niedergeschlagen hockte sie neben unserem Gepäck und dem hochgebockten Fahrrad,
die Kapuze tief über den Kopf gezogen, als ich endlich zurückkam. Aufatmend
schlossen wir uns in die Arme.
    Neben Ilse
im nassen Gras stand ein komplettes Kaffeegedeck mit Plätzchen. Das Ehepaar aus
dem nächsten Haus hatte sie entdeckt, gefragt, was los sei. Und kurze
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