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Zwischen Vernunft und purem Verlangen

Zwischen Vernunft und purem Verlangen

Titel: Zwischen Vernunft und purem Verlangen
Autoren: Kelly Hunter
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schnell geduscht. Seitdem fühlte Evie sich etwas munterer. Die langen Flüge steckten ihr natürlich in den Knochen. So schnell würde sie sich von dieser Strapaze nicht erholen. In Sydney nahmen sie die nächste Maschine nach Melbourne. Immerhin erkannte Evie den Flughafen wieder, konnte den Namen des Krankenhauses lesen und entdeckte Max. Das musste fürs Erste genügen.
    Sichtlich angespannt wartete Max auf sie. Logan war seit etwa sechzehn Stunden die Ruhe selbst. Evie fand es fast unheimlich, wie gefasst er wirkte. Eigentlich eher wie versteinert. Geschlafen hatte er während der gesamten Reise nicht. Vor lauter Sorge um ihn hatte auch Evie kaum Schlaf gefunden.
    „Wie geht es ihr?“, war Logans erste Frage.
    Max hatte regelmäßig SMS geschickt, um seinen Bruder über den neusten Stand zu informieren.
    „Die Schwellung ist zurückgegangen. Mum liegt noch immer im Koma, aber sie reagiert auf bestimmte Reize, wie Schmerz. Zweimal ist sie aufgewacht und hat einen Namen geflüstert. Die Ärzte sagen, das ist ein gutes Zeichen.“
    „Wessen Namen?“, wollte Logan wissen.
    „Deinen.“
    Logan wandte sich abrupt ab, und Evie fürchtete, er würde fluchtartig das Krankenhaus verlassen. Doch nach zwei, drei Schritten blieb er stehen und rieb sich die feuchten Augen.
    „Du kannst zu ihr“, sagte Max. „An ihrem Bett stehen Stühle. Setz dich zu ihr.“
    „Kommst du mit?“, fragte Logan so leise, dass Evie nicht gleich reagierte. Sie wusste nicht einmal, ob die Frage ihr oder Max galt. Auch Max war unschlüssig. Schließlich zuckte er kaum merklich die Schultern. „Wir können alle zu ihr gehen, wenn du willst.“
    „Okay.“
    Auf der Intensivstation befanden sich sechs Betten, sechs Patientinnen und zehnmal so viele Geräte, an denen sie angeschlossen waren. Caroline Carmichael lag im dritten Bett von links.
    Evie zuckte zusammen. Max hätte sie und Logan ruhig warnen können, wie furchtbar Carolines Gesicht zugerichtet war. Logan ging tapfer weiter und beugte sich leicht über seine Mutter.
    „Sprich mit ihr“, schlug Max heiser vor.
    „Hallo Mum.“ Der schockierte Logan wusste nicht weiter. Ratlos schob er die Hände in die Taschen, zog sie wieder heraus und rieb sich verzweifelt den Nacken. „Max hat gesagt, du willst mich sehen.“
    Caroline Carmichaels Lider flatterten, als versuchte sie, die Augen zu öffnen. Bei der Schwellung ist das wohl kaum möglich, dachte Evie schockiert. Doch dann bewegten sich Carolines Lippen. „Logan?“
    Ihre Hand zuckte, und Logan umfasste sie behutsam und streichelte sie.
    „Ich bin bei dir. Jemand hat dich geschlagen“, stieß Logan rau hervor. „Du hättest dich in Sicherheit bringen müssen.“
    „Das konnte ich nicht“, wisperte Caroline. „Er ist auf sie losgegangen. Dann hat ihr Sohn sich schützend vor sie gestellt. Da konnte ich nicht … feige sein.“
    „Du hättest dich raushalten sollen“, widersprach Logan heiser.
    „Ich habe ihm die Stirn geboten.“
    „Das ist nicht zu übersehen.“ Logan ließ sich schwer auf den Stuhl am Bett fallen. „Du hättest niemals in diese Situation geraten dürfen.“
    „Dreißig Jahre zu spät“, wisperte Caroline. „Da wurde es Zeit. Oder?“
    Logan ließ den Kopf hängen und hob die Hand seiner Mutter an seine Wange. Ein Beben ging durch seinen Körper. Tränen liefen ihm über die Wangen.
    „Logan?“, wisperte seine Mutter mit letzter Kraft.
    „Ich bin bei dir.“
    „Es tut mir so leid.“
    Caroline Carmichaels Wunsch war in Erfüllung gegangen.
    Hilflos mussten Evie und Max mit ansehen, wie Logan Black nach all den Jahren zusammenbrach.
    Drei Stunden später saß Evie wieder im Wartezimmer vor der Intensivstation, beobachtete, wie die Zeiger der Wanduhr sich bewegten, zählte die Kratzer auf dem Fußboden und warf Max von Zeit zu Zeit einen beunruhigten Blick zu. Max hatte die Augen geschlossen, die Hände tief in die Taschen seiner Jeans geschoben und die Beine weit von sich gestreckt. Den Kopf hatte er an die Wand gelehnt.
    Logan war am Bett seiner Mutter sitzengeblieben. Sie hatte wieder das Bewusstsein verloren. Als Evie ihm zärtlich die zuckenden Schultern gestreichelt hatte, hatte er sich an ihre Hand gelehnt und nur wortlos genickt, als er hörte, dass sie ins Wartezimmer zurückkehren wollte.
    Auch Max schienen die Worte zu fehlen.
    „Wusstest du, dass er auch Logan geschlagen hat?“, fragte Evie schließlich, weil diese Frage sie seit Stunden beschäftigte.
    Max blinzelte.
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