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Zwischen uns das Meer (German Edition)

Zwischen uns das Meer (German Edition)

Titel: Zwischen uns das Meer (German Edition)
Autoren: Kristin Hannah
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reden und dachte: ›Gut, jetzt sind sie wieder Freunde.‹ Dann ging ich mir noch ein Bier holen. Ich weiß nicht, wie viel Zeit verging, bis ich nach Seth suchte. Erst als die Gäste langsam aufbrachen, bemerkte ich es. Aber es hätte mir früher auffallen müssen.«
    »Der Baum der Harrisons«, sagte Michael. »Weißt du noch, als Betsy das letzte Mal wegrannte? Seth hat sie an dem Baum an Harrisons Anleger gefunden.«
    Jolene starrte ihren Mann an. »Als sie das letzte Mal wegrannte?«
    Michael reagierte kaum. Carl nickte, dann brachen die Männer auf. Jolene folgte ihnen bis zur Veranda.
    Draußen war es kalt und dunkel. Kein Stern war am Himmel zu sehen. Jolene hielt sich am Geländer fest und versuchte mit dem Blick die Dunkelheit zu durchdringen. Mila kam mit Lulu auf dem Arm zu ihr. »Wir werden sie finden, Jolene. Teenager tun eben so was.«
    So was . Wegrennen, in die Dunkelheit, wo Gott weiß was lauern konnte. Wäre Jolene in den letzten Wochen eine bessere Mutter gewesen, dann müssten sie jetzt nicht draußen in Kälte und Finsternis stehen und beten. Als sie Lulu leise schluchzen hörte, drehte sie sich um.
    »Sie ist schon wieder abgehaut«, wimmerte Lulu.
    Jolene breitete die Arme aus und flüsterte: »Komm zu mir, mein Schatz. Lass dich von Mommy trösten.«
    Lulu riss die verweinten Augen auf. »Wirklich, Mommy?«
    Jolene brach die Stimme. »Wirklich.«
    Da warf sich Lulu so heftig nach vorn, dass Mila zur Seite taumelte. Jolene fing Lulu auf, drückte sie fest an sich und roch wieder den vertrauten Kleinmädchengeruch nach Babyshampoo und Kamillenseife.
    Sie spürte, wie Lulu schluchzte, aber sie konnte nicht mehr tun, als sie an sich zu drücken und ihr immer wieder zu sagen, dass sie in Mommys Armen sicher war. Schließlich löste sich Lulu von ihr. Ihre dunklen Augen schwammen in Tränen, und ihre Wangen waren feucht und gerötet. »Du hast uns Angst gemacht, Mommy.«
    Jolene strich Lulu das feuchte Haar aus dem Gesicht. »Ich weiß, Mieze. Der Krieg hat Mommy ein bisschen verrückt gemacht. Aber mir wird’s irgendwann wieder bessergehen.«
    »Versprochen?«
    Lulus vertrauensvoller Blick war wie Balsam auf Jolenes geschundener Seele. Früher hätte sie versprochen gesagt; sie hätte so getan, als wäre alles gut, um sie zu schützen. Aber ein Versprechen war eine heikle Angelegenheit, genau wie ihre eigene Zukunft. Also sagte sie, obwohl sie so gerne etwas anderes versprochen hätte: »Ich gebe dir mein Wort, alles zu tun, um wieder die Mommy von früher zu werden. Aber vielleicht brauche ich deine Hilfe. Sollte ich manchmal … du weißt schon … ein bisschen verrücktspielen, dann brauchst du nur die Hände zu heben, mit den Schultern zu zucken und zu sagen: ›So ist meine Mom eben.‹ Meinst du, das kannst du?«
    Lulu hob ihre kleinen Hände, zuckte mit den Schultern und sagte: »So ist meine Mom eben.«
    »Perfekt«, lobte Jolene mit zittrigem Lächeln.
    Da tauchten Michael und Carl aus der Dunkelheit auf. Sie überquerten die Straße und kamen langsam die Einfahrt herauf. Betsy und Seth waren nicht dabei.
    »Wo ist sie denn?«, fragte Lulu.
    Jolene spürte, wie ihre Angst sich in Panik verwandelte. Sie küsste Lulu und reichte sie an Mila zurück. »Könntest du sie ins Bett bringen, Mila? Bitte.«
    Mila nickte. Sie nahm Lulu und trug sie ins Haus. Die Fliegentür schlug hinter ihr zu.
    Jolene kam den Männern an der Treppe der Veranda entgegen.
    »Sie waren nicht da«, berichtete Carl. »Und es gab auch keinerlei Anzeichen, dass sie da gewesen sind.« Er blickte auf seine Uhr. »Es ist zehn. Sollten wir die Polizei rufen?«
    Jolene spürte, wie es sie kalt durchschauerte. Betsy war irgendwo da draußen, in dunkler Nacht. Sie war vor einer Familie weggelaufen, die keine mehr war, vor einer Mutter, der man nicht mehr vertrauen konnte. Sie ging zum Geländer und starrte zur Straße. Komm zurück, Betsy. Ich werde dir alles erklären, bitte …
    Michael trat zu ihr und legte ihr den Arm um die Schultern. Unwillkürlich dachte sie, dass sie ihn vor den Ereignissen dieses Tages wohl abgeschüttelt und seinen Trost zurückgewiesen hätte. Sie wäre unruhig hin und her gelaufen und hätte versucht, etwas in den Griff zu bekommen, was außerhalb ihrer Kontrolle lag. Jetzt lehnte sie sich an ihn.
    Wie lange standen sie so da? So lange, bis Michael und Carl alle Bekannten angerufen hatten, die ihnen in den Sinn kamen; so lange, bis Mila Lulu ins Bett gebracht hatte und dann in eine rosa-rot
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