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Zwischen uns das Meer (German Edition)

Zwischen uns das Meer (German Edition)

Titel: Zwischen uns das Meer (German Edition)
Autoren: Kristin Hannah
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ist eine Mutter in der Armee fast so schlimm wie eine im Gefängnis.«
    Tami lehnte sich an sie. »Du bist ein Wolfskind, deshalb weißt du nicht, dass so was vollkommen normal ist. Meine Mom schwört, sie hätte mich mit zwölf an Zigeuner verkaufen wollen. Aber niemand wollte mich.«
    »Kommt Seth heute mit?«
    »Na klar. Er ist ein Junge. Die sind wie Welpen, während Mädchen wie Katzen sind. Das Einzige, was er will, ist, mich glücklich machen und Videospiele spielen. In unserem Haus gibt’s noch keine Dramen. Aber er vermisst Betsy.«
    Jolene blickte die Treppe hinauf. »Ich hoffe, sie ist netter zu ihm.«
    Tami nickte. »Mein Sohn ist ein absoluter Modemuffel. Ein strebsamer Junge, der ganz aufgeregt ist, wenn er in Biologie eine Frage beantworten kann. Betsy hingegen will zur angesagten Clique gehören. Das verstehe ich, wirklich. Seth ist sozialer Selbstmord, und die Tatsache, dass sie früher beste Freunde waren, ist auch nicht hilfreich. Aber er versteht es nicht. Er fragt sich, warum sie nicht mehr Skateboard fährt oder Krebse suchen geht. Das Geburtstagsposter von ihr hängt immer noch bei ihm an der Wand.«
    Jolene wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Doch bevor ihr etwas eingefallen war, hatte Lulu das Ende der Treppe erreicht und stürzte sich in ihre Arme. Jolene hob ihre jüngere Tochter hoch, setzte sie sich auf die Hüfte und ging mit ihr zum SUV . Nachdem sie sie im Kindersitz angeschnallt hatte, kehrte sie ins Haus zurück. »Komm schon, Betsy!«
    Betsy stürmte mit mürrischer Miene die Treppe herunter. Sie hatte die Kopfhörer ihres iPods in den Ohren. Die Botschaft war eindeutig: Ich komme mit, aber nicht freiwillig.
    Jolene ließ ihrer Tochter die kleine Rebellion durchgehen und folgte ihr zum Wagen.
    »Wo ist Seth?«, rief Betsy laut, als sie die Beifahrertür aufzog.
    Jolene stieg auf den Fahrersitz. »Er und Carl fahren getrennt zur Party. Sie waren heute Morgen angeln. Sei nett zu ihm.«
    Aber Betsy hörte ihr gar nicht zu. Sie schnallte sich an und begann, an ihrem iPod herumzufummeln.
    »Musik?«, fragte Jolene Tami.
    »Ich glaube, heute mal die Queen. Dir zu Ehren.«
    »Also Madonna.« Jolene schob eine CD ein und fuhr zum vertrauten Intro von »Material Girl« los.
    Tami und sie redeten und sangen abwechselnd; Lulu plapperte nonstop; Betsy sagte kein einziges Wort.
    Kurz darauf erreichten sie ein Stadtviertel in Gig Harbour namens Ravenwood, das etwa vierzig Minuten vom Stützpunkt entfernt war. Die Crew des Guard kam aus allen Teilen des Staates hierher – manche von ihnen mussten Stunden fahren.
    Der Captain wohnte in einem hübschen wedgewoodblauen Haus mit weißen Zierleisten, das von einer Veranda umgeben war. Kinder rannten im Garten herum, ihre Stimmen bildeten ein lebhaft schrilles Hintergrundgeräusch. Haus und Garten zeigten deutlich, welch eine Familie – und welch ein Mann – hier wohnte. Alles war gepflegt und ordentlich. Der fünfzigjährige Captain Benjamin Lomand war einer der anständigsten Menschen, die Jolene je kennengelernt hatte.
    Die meisten Piloten waren bereits mit ihren Familien da; das erkannte Jolene schon an der bunten Schlange der in der Sackgasse parkenden Autos. Obwohl sie den hinteren Teil des Gartens noch nicht sehen konnte, wusste sie, dass sich die Männer – und die weiblichen Crewmitglieder – mit einer Flasche Bier oder einer Dose Cola in der Hand am Grill versammelt hatten, während ihre Frauen in Grüppchen zusammenstanden, plauderten und auf die Kinder achteten. Alle würden lächeln.
    Jolene fuhr an den Rand der Einfahrt und parkte. Tamis Mann Carl und ihr Sohn Seth standen vor der Garage. Sie winkten und kamen mit großen Schritten die Einfahrt hinunter zu ihrem Wagen. Mit verbeulten Jeans, dem Seahawks-Pulli und der Baseballkappe, die er sich tief in den Nacken gezogen hatte, um sein sich lichtendes Haar zu verbergen, sah Carl aus wie ein etwas korpulenter, stämmiger Mann, der auf der High School ein Footballstar gewesen war und jetzt bei Boeing arbeitete. Das Klischee war erstaunlich zutreffend, nur war er Kfz-Mechaniker mit eigener Werkstatt.
    Seth sah ganz anders aus als sein Vater. Er war ein seltsam aussehender Junge: linkisch, mit ausgeprägter Akne, etwas zu großen Augen für sein schmales Gesicht und pechschwarzen Haaren, die ihm bis auf den Rücken reichten. Heute trug er enge Levi’s (obwohl jeder wusste, dass weite Hosen »in« waren) und ein riesiges Nine-Inch-Nails-Shirt, in dem seine Arme besonders dünn
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