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Zwischen Macht und Verlangen

Zwischen Macht und Verlangen

Titel: Zwischen Macht und Verlangen
Autoren: Nora Roberts
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Blitzschnell nahm sie einen Teller vom Büffet und belud ihn. „Immer ist mir jemand dazwischengekommen“, erklärte sie.
    „Ich hatte nämlich keine Zeit zum Abendessen und bin schrecklich hungrig. So, das genügt.“ Zufrieden drehte sie sich zu Alan um. „Wir könnten auf die Terrasse gehen.“ Schon war sie auf dem Weg. Alan folgte ihr verblüfft.
    Die Luft war lau und voller Fliederduft. Das Mondlicht fiel silbern auf frisch gemähten Rasen und verzauberte die herabhängenden Zweige einer knorrigen alten Weide.
    Mit tiefem, zufriedenen Seufzer angelte sich Shelby eine in Öl gebratene Krabbe und steckte sie in den Mund. „Was das hier ist, weiß ich wirklich nicht“, meinte sie und betrachtete eine Pastete von allen Seiten. „Probieren Sie mal, und sagen Sie’s mir!“
    Als handle es sich um die wichtigste Sache der Welt, nahm Alan ein Stückchen von Shelbys Teller, kostete mit prüfender Miene und erklärte dann: „Gänseleber in Blätter teig mit einem Hauch von Maronen.“
    „Hmm, könnte stimmen.“ Shelby vertilgte den Rest der Speise. „Ich bin Shelby“, bemerkte sie kauend und stellte den halb leeren Teller auf eine n Beistelltisch.
    „Und ich Alan.“ Ein belustigtes Lächeln huschte über sein Gesicht, während sie sich beide auf eine Gartenbank setzten. Einladend deutete er auf sein Glas: „Wie wäre es mit einem Schluck?“
    Shelby betrachtete ihren Begleiter aufmerksam. Er war ihr schon vorher aufgefallen, wahrscheinlich wegen seiner Größe und athletischen Figur. Sportler traf man nicht sehr oft auf diesen Washingtoner Partys. Die meisten Herren achteten auf ihre Figur, sie joggten und spielten Squash, aber dieser erinnerte mehr an einen Schwimmer. Ein Langstreckenschwimmer vielleicht? Sie konnte sich gut vorstellen, wie er mühelos durch die Wellen glitt.
    Sein Gesicht war hager und rassig, der Mund schmal unter einer Nase, die ein wenig schief stand. Das gefiel Shelby. Auch das Zwinkern in seinen Augen mochte sie leiden. Das dunkle Haar und die dunklen Augen erinnerten sie an einen Ritter in ihrem Kindermärchenbuch. Er wirkte verlässlich und beruhigend, andererseits auch wieder ein wenig aufregend. Ihre Lippen öffneten sich zu einem Lächeln.
    „Was trinken Sie denn?“
    „Scotch – Whisky on the rocks.“
    „Ich freue mich, dass man Ihnen trauen kann.“ Sie nahm ihm das Glas ab und nippte an dem Whisky. Ihre Augen blitzten Alan über den schimmernden Rand fröhlich an, das Mond- und Sternenlicht stand ihr vorzüglich. Sie sah aus wie eine kleine Waldelfe, die jeden Augenblick von einem Windhauch durch die Lüfte davongetragen werden kann.
    „Weshalb sind Sie hier?“ fragte er neugierig.
    „Mütterlicher Druck, kennen Sie das auch?“
    Er verstand sie sofort. „Väterlicher Druck trifft bei mir eher zu.“
    „Das dürfte kein großer Unterschied sein.“ Shelby nahm noch einen Schluck Whisky. „Wohnen Sie auf dieser Flussseite?“
    „Nein, in Georgetown.“
    „Was Sie nicht sagen! Wo denn?“
    Das Mondlicht glitzerte jetzt in ihren Augen, die so leuchtend silbergrau waren, wie Alan noch nie welche gesehen hatte.
    „In P-Street.“
    „Seltsam, dass wir uns noch nie begegnet sind. Mein Laden liegt dort ganz in der Nähe.“
    „Sie führen ein Geschäft?“ Wahrscheinlich ausgefallene Kleider, Samtjäckchen und Modeschmuck, mutmaßte er.
    „Ich bin Töpferin.“
    Impulsiv nahm Alan Shelbys Hände, drehte die Innenflächen nach oben und betrachtete sie prüfend. Es waren schmale Hände mit langen Fingern und kurz geschnittenen, unlackierten Nägeln.
    „Sind Sie gut?“ fragte er.
    „Ich bin phantastisch!“ Shelby spürte erstaunt, dass es ihr heute schwer fallen würde, nach ihrer selbsterdachten Vorsichtsmaßnahme zu verfahren. Normalerweise hätte sie schon längst aufstehen und den Kontakt zu diesem Mann abbrechen müssen. Wenn ich es jetzt nicht tue, ist es vielleicht zu spät, und er hält meine Hände morgen auch noch, dachte sie. Doch sie forschte weiter: „Sie stammen nicht aus Washington, woher kommen Sie?“
    „Aus Massachusetts.“
    „A ja! Eine Spur von Harvard ist geblieben. Aber Mediziner sind Sie gewiss nicht“, überlegte sie laut und bewegte ihre Finger in Alans Hand, ohne sich seinem Griff zu entziehen. „Für einen Arzt sind Ihre Ballen nicht weich genug.“
    Welchen Beruf mochte er haben? War er Künstler? Der leicht träumerische, grüblerische Ausdruck in seinen Augen ließ auf einen Menschen schließen, der dazu neigt, die Dinge erst
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