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Zwischen Macht und Verlangen

Zwischen Macht und Verlangen

Titel: Zwischen Macht und Verlangen
Autoren: Nora Roberts
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gründlich durchzudenken, ehe er handelt.
    Alan hatte sich die ernsthafte Inspektion geduldig gefallen lassen, doch nun schien es ihm an der Zeit, seine Gesprächspartnerin aufzuklären. „Jurist“, sagte er und fügte, als er Shelbys verwirrte Miene sah, hinzu: „Enttäuscht?“
    „Nur überrascht“, erwiderte sie. „Das liegt wohl daran, dass ich mir alle Anwälte mit weißer Perücke und dicken Augengläsern vorstelle. Bei einer Menge alltäglicher Dinge können einen Gesetze ganz schön nerven, finden Sie nicht auch?“
    Alan hob verwundert die Brauen. „Bei Mord und Totschlag etwa?“
    „Nein, das meine ich natürlich nicht, das ist doch nichts Alltägliches, oder? Ich dachte an die endlosen bürokratischen Vorschriften. Sie können sich kein Bild machen, wie viele Formulare ich ausfüllen muss, nur um meine Töpferwaren zu verkaufen. Das muss doch gelesen und bearbeitet, von neuem verschickt und sortiert werden und so weiter. Wäre es nicht praktischer, man ließe mich die paar Vasen einfach so gegen Entgelt unter die Leute bringen und meinen Lebensunterhalt damit verdienen?“
    „Das würde problematisch, wenn’s in die Millionen ginge.“ Alan hatte vollkommen vergessen, dass er nicht diskutieren wollte. Unbewusst spielte er mit dem Ring, der an Shelbys kleinem Finger steckte. „Nicht jeder Einzelhändler würde sich an faire Geschäftsgrundlagen halten, niemand wäre bereit, Steuern zu zahlen. Und schließlich hätte der ehrliche Kaufmann dabei das Nachsehen, denn er wäre genauso ungeschützt wie jeder Verbraucher.“
    „Es ist schwer verständlich, dass die Basis für all diese Dinge meine dreifach einzureichenden Steuererklärungen sind!“
    Die Berührung seiner Hände war keineswegs unangenehm, lenkte jedoch kolossal ab, und sein Lächeln noch mehr. Nie in ihrem Leben hatte Shelby bei einem Mann ein so unwiderstehliches Lächeln gesehen.
    „Es wird immer eine Überschneidung zwischen Bürokratie und Notwendigkeit bestehen.“
    „Das Beste an den Gesetzen ist, dass man unzählige Möglichkeiten hat, sich drumherumzuschlängeln“, erklärte Shelby und lachte verhalten. „Wahrscheinlich ist das nun wieder Ihre Existenzgrundlage!“
    Durch das geöffnete Fenster drang die kühle, autoritäre Stimme eines Mannes: „Mag sein, dass Nadonley seinen Finger genau auf den Puls der amerikanisch-israelischen Beziehungen gelegt hat, aber mit dieser Politik macht er sich keine Freunde.“
    „Seine mittelmäßige, nachlässige Kleidung wirkt auch etwas merkwürdig!“ entgegnete ein anderer.
    „•Typisch!“, sagte Shelby leise und verzog ihren Mund. „Wie doch auf Äußerlichkeiten geachtet wird, vielleicht mehr als auf die erbrachte Leistung. Dunkler Anzug und weißes Hemd – man ist ein Konservativer. Legerer Look und Kaschmirpullover steht für liberale Gesinnung.“
    Alan bemerkte erstaunt den kritischen Unterton in Shelbys Stimme. An mehr oder weniger unsachliche Urteile über seinen Beruf war er gewöhnt. Meistens überhörte er solche Bemerkungen. Von ihr mochte er dergleichen nicht hören, ihre Worte ärgerten ihn. „Sie vereinfachen gern, nicht wahr?“
    „Nur dann, wenn mir etwas nicht wichtig genug ist, Geduld dafür aufzubringen.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Die Politik ist ein ärgerliches Nebenprodukt der gesellschaftlichen Ordnung, seitdem Moses sich auf Debatten mit Ramses eingelassen hat.“
    Um Alans Mund spielte wieder das besondere Lächeln. Shelby kannte ihn nicht, sonst hätte sie es deuten können. Diese Unterhaltung amüsierte ihn nun doch, und er wollte sie herausfordern. „Sie scheinen Politiker nicht besonders zu mögen“, stellte er fest.
    „Was diese Leute betrifft, so kann ich nur verallgemeinern, was ich sonst nicht so leicht tue“, erwiderte Shelby.
    „Es gibt sie in verschiedenen Spielarten: Sie sind entweder Pedanten oder Fanatiker, manche sind machthungrig, andere schwach. Es hat mich immer bedrückt, dass unsere komische Welt von einer Hand voll Männer allein regiert wird. Deshalb“, und sie schob den Teller energisch zurück, „versuche ich mir vorzumachen, ich hätte absolute Kontrolle über mein eigenes Schicksal.“ Die Schatten der Bäume malten eigenartige Linien auf Alans Gesicht, und Shelby hätte sie gern mit ihren Fingerspitzen nachgezogen. „Möchten Sie wieder hineingehen?“
    „Nein.“ Alan strich mit dem Daumen über die Innenhaut ihres Handgelenks. Erstaunt fühlte er, wie ihr Puls sich beschleunigte. „Wie sehr ich mich dort
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