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Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters

Titel: Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters
Autoren: Leif GW Persson
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worden, über seine durchwachsenen Erfahrungen aus der lokalen Ermittlungsarbeit zu berichten. Er war ein mit allen Wassern gewaschener Mann, ein amüsanter Kerl, und obwohl er bisweilen von der rechten Lehre abwich, war er doch mit Leib und Seele noch immer ein alter Ermittler. Als erster Punkt nach dem Mittagessen war er einfach perfekt. Er war ein überaus unterhaltsamer Referent, und später konnte sich niemand auch nur an ein Wort von dem erinnern, was er erzählt hatte. In Wirklichkeit ging es ja auch um etwas anderes; man wollte Freunde und Kollegen unter ein wenig angenehmeren Umständen treffen, um dann abends vielleicht noch über andere Dinge sprechen zu können als über alte Verbrecher.
    Diesmal war das alles aber leider total in die Hose gegangen. Zu späterer Stunde hatte sich die Elite, die sich noch immer auf den Beinen hielt, in der Kabine der Kongressleitung versammelt, um eine abschließende Runde zu trinken – und um eine lange und inzwischen sorgsam unter den Teppich gekehrte Geschichte kurz zu machen, hatte Jarnebring dem Chef der Östermalmer Kripo die Achillessehne zerrissen. Dieser war nämlich nicht nur ein unterhaltsamer Referent, sondern auch ein bekannter Kraftmeier und ein Champion, was Armdrücken und Beinhakeln anging. An Ende war nur noch Jarnebring auf der Matte gewesen, der nämliche Jarnebring, der fünfundzwanzig Jahre zuvor bei einer Meisterschaft die zweite Strecke bei der Kurzstaffel gelaufen war und sich die Gewohnheit zugelegt hatte, sich niemals geschlagen zu geben.
    Bei der abschließenden Zusammenfassung des Tages hatte einer der Vortragenden den Fuß falsch aufgesetzt, als er sich erhoben hatte, um vorn an der schwarzen Tafel die Diskussion auf den Punkt zu bringen. Natürlich waren alle Anwesenden stock- nüchtern gewesen, aber da der Wellengang zeitweise arg beschwerlich gewesen war, hatte das Unglück doch sein hässliches Haupt erheben können. Ein typischer Dienstunfall, was ja immerhin ein Trost war, wenn man zwei Monate den Fuß in Gips halten musste.
    Jarnebring war ein Mann, der nach schlichten und selbstverständlichen Regeln lebte. Diskretion war Ehrensache. Wer in eine Sache verwickelt war, musste Ordnung schaffen, und in letzter Hinsicht ging es ja schließlich um Kumpel. Deshalb vertrat er nun seit vierzehn Tagen den Chef der Kripo von Öster- malm, und mehr war über diesen Fall nicht zu sagen.
    Leider hatte das durchaus Auswirkungen auf sein Leben. Seine letzte Freundin, die in Norrmalm bei der Bereitschaftspolizei war, hatte ihn am frühen Morgen zu einem plötzlich angeordneten Einsatz verlassen, diese Art von Aktivität konnte er also vergessen. An Training war auch nicht zu denken, denn das machte man nicht im Dienst, und als alter Elitesportler wusste er, dass es sich empfahl, sich an ein genau festgelegtes Trainingsschema zu halten. Seinen Unglücksbruder mit dem Gipsfuß zu besuchen, war ebenfalls ausgeschlossen. Der war mit seiner Frau in eine Rehaklinik nach Värmland übergesiedelt, um dort ausgiebig und auf Kosten der Truppe wieder zu Kräften zu kommen.
    Nachdem er geduscht, gefrühstückt und in der Morgenzeitung geblättert hatte, war es noch immer erst neun, und vor ihm lag ein freies Wochenende, lang wie ein Marathonlauf und wenig verlockend für einen alten Sprinter wie Jarnebring. Deshalb be- schloss er seinen besten Freund und ehemaligen Kollegen anzurufen, den Kriminaldirektor Lars Martin Johansson vom Landeskriminalamt. Er hatte eine ganze Weile mit sich ringen müssen, um diesen Entschluss zu fassen, denn bei ihrer letzten Begegnung waren sie gewaltig aneinander geraten. Noch dazu wegen einer Bagatelle. Es ging um einen jugoslawischen Gauner, den Jarnebring und seine Kollegen mit großer Mühe und eher unkonventionellen Methoden endlich in die Justizvollzugsanstalt gebracht hatten, in die er die ganze Zeit gehört hatte. Wirklich kein Grund für Geschrei, aber Johansson, der Besorgnis erregende Anzeichen von schwindender Überzeugung zeigte, seit er nicht mehr im Feld gegen das Verbrechen kämpfte, sondern sich hinter einem riesigen Schreibtisch fläzte, hatte ihn zusammengestaucht und mitten in einem schönen Essen sitzen lassen.
    Einmal ist keinmal, und ich bin ja nicht nachtragend, dachte Jarnebring großzügig, während er die Nummer seines alten Freundes und Kollegen wählte. Aber es meldete sich niemand, auch kein Besetztzeichen war zu hören, und noch ehe Jarnebring begriff, wie ihm geschah, hatte er schon die Türen der
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