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Zwienacht (German Edition)

Zwienacht (German Edition)

Titel: Zwienacht (German Edition)
Autoren: Raimon Weber
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„Du zuerst, Autor! Wir warten lieber nicht auf die Droge.“
    Es gab für den Reisenden keine Zeit mehr zu verlieren, denn trotz seiner panikartigen Flucht war davon auszugehen, dass der Ballonseidenträger gerade lauthals dabei war, nach der Polizei zu kreischen.
    Richard sah zu dem Reisenden auf – mehr Blitze schossen durch sein Sichtfeld – und robbte vor ihm davon. Der Reisende akzeptierte kommentarlos, dass sich sein Opfer von den Fesseln befreit hatte. Er hob das Stilett zum finalen Stich.
    Krüger wälzte sich keuchend über den Boden und erlang allmählich das volle Bewusstsein zurück. Sein Begleiter und Maria waren ganz still.
    „Irgendwie unwürdig“, brummte der Reisende.
    Richard starrte in das verschwitzte Gesicht und bekam mit der rechten Hand etwas zu fassen. Es schien nichts zu sein, dass er als Waffe benutzen konnte. Es war der von Krügers Schwert aufgeschlitzte Sack. Richard fühlte irgendein Pulver, griff sich eine Handvoll und schleuderte es in Richtung des Reisenden. Es traf ihn im Gesicht und die Wirkung war für Richard überraschend.
    Der Mann schlug die Hände vors Gesicht, brüllte vor Schmerzen und taumelte blind umher. Das Stilett fiel neben Richard zu Boden.
    Er griff danach, verfehlte es mehrmals, und als er endlich zu fassen bekam, hatten sich seine Beine in Gummi verwandelt. Er machte den Versuch aufzustehen und besaß keine Kontrolle mehr über seine unteren Gliedmaßen. Es war wie damals, als ihn der Lastwagen überrollt hatte.
    Noch mehr Blitze!
    Die Droge!
    „Bring ihn um!“, schrie Maria.
    Ich kann nicht! Ich gehe gerade drauf, Maria!
    Die Finger wollten auch nicht mehr gehorchen. Das Stilett entglitt ihm.
    Der Reisende stolperte über Richard, fing sich wieder und ging in die Knie. Sein Gesicht wandte sich Richard zu. Die Augen waren winzig, feuerrot und tränten nicht nur; sie schienen sich geradezu in Auflösung zu befinden. Der Reisende war für den Moment fast völlig blind, aber dennoch fand er Richards Kehle, umfasste sie mit Pranken, die nichts von ihrer Kraft verloren hatten, und drückte zu.
    Richard spürte, wie das Leben aus ihm gequetscht wurde. In einem Meer greller Blitze.
    In weiter Ferne glitt Metall über Beton. Richard öffnete noch einmal die Augen, starrte in das verzerrte Gesicht des Reisenden, und dann sah er, zwischen zwei Blitzen, einen zu allem entschlossenen Krüger über sich.
    Der alte Mann hielt das Schwert mit beiden Händen und versenkte die kurze Klinge in den Rücken des Reisenden.
    Der mächtige Körper bäumte sich auf, die Füße des Reisenden trommelten auf den Betonboden, aber die Hände drückten weiter zu.
    Mit einem hässlichen Geräusch, das klang, als würde man ein gebratenes Huhn in der Mitte durchreißen, drehte Krüger das Schwert im Leib des Reisenden.
    Die Hände glitten von Richards Kehle und er vernahm das letzte Hecheln des Mannes, der so viel Aufwand betrieben hatte, um sich an ihm zu rächen.
    Der Reisende war tot.
    Krüger zerrte die Leiche von Richard und betrachtete sie.
    „Du meine Scheiße! Natriumhydroxid!“, ächzte er. „Damit ätzt man Metall.“ Angewidert stieß Krüger die Leiche von sich und eilte zu seinem Begleiter. Der lag in einer immer größer werdenden Lache aus Blut am Boden. Krüger wälzte ihn auf den Rücken.
    „Günther! ... Günther!!!“ Seine Stimme schnappte fast über. Er betastete den leblosen Körper, in der Hoffnung irgendetwas tun zu können.
    Hilflos hob er die blutigen Hände. „Günther ist tot. Meine Tocher ... was soll ich denn jetzt meiner Tochter sagen?“
    Dann begann Maria zu schreien, lauter, als jemals zuvor. Es war, als hätte ihre Angst endgültig ein Ventil gefunden.
    Krüger drehte sich nach der gefesselten Frau um. Er hatte sie beinahe vergessen.
    Maria hörte nicht auf zu schreien. Krüger machte ein paar torkelnde Schritte in ihre Richtung, um sich dann wieder mit verzweifeltem Gesicht zu seinem toten Begleiter umzuwenden.
    Marias Schreie verebbten zu einem Weinen und Flehen, zu kaum artikulierten Worten, in denen sie Krüger bat, sie endlich loszubinden. Sie stammelte von dem Gift, das sich den Weg durch Richards Körper bahnte.
    Ein Ruck ging durch den alten Mann. „Ich helfe Ihnen.“ Es klang, als hätte er sich selbst einen Befehl gegeben.
    Richard versuchte etwas zu sagen. Seine Zunge reagierte nicht. Dann stellte auch das Gehör die Arbeit ein.

Winter

    Am dritten Tag des neuen Jahres saßen Richard Kenning und Maria Couto dos Santos in einem Café
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