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Zwienacht (German Edition)

Zwienacht (German Edition)

Titel: Zwienacht (German Edition)
Autoren: Raimon Weber
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durchgecheckt.“
    „Es gab keine weitere Behandlung?“
    „Nein.“
    Dr. Busch blickte kurz aus dem Fenster. Die doppelten Glasscheiben schlossen alle Geräusche der Außenwelt ab. Auf dem Fenstersims trippelte eine Taube von links nach rechts.
    „Ich muss das fragen“, begann Busch. „Herr Gerling, nehmen Sie verschreibungspflichtige Medikamente, Drogen oder Alkohol?“
    „Das letzte Bier trank ich vor Wochen und Drogen ...“ Richard lachte gekünstelt. „Seit den Experimenten in meiner Jugend mit Marihuana bin ich davon kuriert. Mir bekam es einfach nicht. Ich wurde davon depressiv und befürchtete von dem Zeug nie mehr runterzukommen.“
    „Sie sprachen von Ihren starken Kopfschmerzen. Was tun Sie dagegen?“
    Richard erinnerte sich an sein Gelübde ehrlich zu sein. „Ich versuchte zuerst Aspirin, aber ebenso gut hätte ich Pfefferminzdrops lutschen können, deshalb stieg ich auf Ibuprofen, Formigran und solche Sachen um. Die wirken aber entweder gar nicht oder nur kurz.“
    Dr. Buschs Notizen wurden umfangreicher. „Sie wurden von einem Blitz getroffen und trotzdem hat man Sie nur ambulant behandelt?“ Der Psychiater runzelte die Stirn. „Das finde ich im höchsten Maße unverantwortlich. In welchem Krankenhaus waren Sie?“
    „In Unna. Ich wohne erst seit Kurzem in Döbeln. Die Entlassung geschah auf meinen ausdrücklichen Wunsch.“
    Es war deutlich zu spüren, dass Busch nicht mit dem Verhalten seines Gegenübers einverstanden war. „Ich denke, ehe wir uns weiter miteinander unterhalten, sollten Sie zunächst einen Neurologen aufsuchen.“
    Richard atmete tief ein und sagte nichts. Der Psychiater legte den Notizblock so vorsichtig auf den Glastisch, dass dabei nicht das geringste Geräusch entstand. „Ich halte eine Tomographie für notwendig, um auszuschließen, dass der Blitzschlag irgendwelche Schäden verursacht hat.“
    Richard presste die Lippen fest zusammen.
    Dr. Busch lehnte sich ein wenig nach vorn. „Eine Hirntomographie ist völlig schmerzlos. Ich werde einen Kollegen in Dresden kontaktieren, damit Sie nicht monatelang auf einen Termin warten müssen. Was halten Sie davon?“
    Richard nickte kaum merklich. „Einverstanden.“ Er zögerte. „Aber ich würde dennoch gern bei Ihnen in Behandlung bleiben. Falls ... falls es schlimmer wird.“
    Dr. Busch schüttete sich nun selbst ein Glas Wasser ein. Er betrachtete die Flüssigkeit ohne einen Schluck zu nehmen. „Ich denke, dass die Folgeschäden eines Blitzschlags noch immer ein ziemliches Neuland für die Medizin darstellen. Aber ich werde mich eingehend über den aktuellen Stand informieren. Wenn Sie einverstanden sind, sehen wir uns nächste Woche um dieselbe Zeit.“
    Richard war die Erleichterung deutlich anzusehen.
    „Ich hätte allerdings noch zwei Fragen“, fuhr Dr. Busch fort. „Was machen Sie beruflich und was hat Sie von Unna nach Döbeln verschlagen?“
    Richard Gerling rutschte in seinem Sessel zur Seite, worauf dieser leise ächzte.
    „Ich arbeite in der Werbung.“ Richard staunte, wie leicht ihm die Lüge über die Lippen kam. Tatsächlich hatte er zwei Jahre lang unter anderem für eine Werbeagentur gearbeitet und Slogans für Juweliere, Heiratsvermittlungen oder Restaurantketten getextet, ehe ihm die Schriftstellerei genügend Geld einbrachte. Er war also durchaus in der Lage auf weitere Details einzugehen.
    Der Psychiater sah ihn weiterhin erwartungsvoll an und Richard fiel ein, dass er noch eine plausible Erklärung für seinen Umzug nach Mittelsachsen benötigte.
    „Ich brauchte einfach eine Auszeit, einen Tapetenwechsel, aber nächsten Monat fange ich wieder mit der Arbeit an.“
    „Sie machen dann Werbung für hiesige Unternehmen?“
    „Auch. Dank Computer und Internet kam man meinen Job eigentlich von überall aus machen.“
    Dr. Busch schien sich mit der Erklärung zufriedenzugeben. „Wissen Sie, Herr Gerling“, sagte er. „Ich muss eingestehen, dass ich niemals zuvor jemanden kennen gelernt habe, der vom Blitz getroffen wurde. Beim nächsten Mal müssen Sie mir das genauer schildern.“ Er stand auf. „Ich gebe Ihnen Bescheid, wenn ich den Termin in Dresden für Sie habe. Bis dahin möchte ich Sie bitten, mit den Schmerzmitteln vorsichtig zu sein.“
    Richard ergriff die Hand des Psychiaters. „Ich will es versuchen.“
    „Sollten sich die Wahrnehmungsstörungen verschlimmern, rufen Sie mich an.“
    Als Richard Gerling auf die Straße trat, begann es zu nieseln. Unwillkürlich suchte er den
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