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Zwergensturm

Zwergensturm

Titel: Zwergensturm
Autoren: Oliver Mueller-Hammerschmidt
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ja auch nichts anderes. Als sie ein kleines Mädchen im Alter von acht oder neun Jahren gewesen war, waren Dunkelelfen in ihrem Elternhaus aufgetaucht und hatten sie mitgenommen. Sie wurde als alt genug angesehen, um dem Arbeitsleben zugeführt zu werden. Ihre Mutter hatte damals freilich eine andere Meinung und heulte sich die Augen aus. Auch Finscha war natürlich todtraurig gewesen. Sie erinnerte sich, wie ihr Vater ihre Mutter trösten wollte: „Immerhin haben sie uns so viele Jahre mit ihr gelassen. Anderen ergeht es schlechter!“ Den Dunkelelfen von damals war die Aussage des Vaters egal gewesen.
    Sie hatten Finscha damals in ein Sammellager in der Nähe der Stadt gebracht. Dort traf sie auf viele andere Geschöpfe des Besetzten Landes, Menschen, Zwerge und Gnome verschiedenen Alters. Die Dunkelelfen entschieden, wer wann dem Arbeitsleben zuzuführen war. Zur damaligen Zeit war der Bedarf an Arbeitskräften schon hoch, das Luxusleben der Dunkelelfen forderte seinen Tribut. Das Lager quoll fast über. Fünfzehn Tage und Nächte hatte sie hier verbracht, dann musste sie in einem langen Marsch mit einigen anderen durch das halbe Land marschieren, von Grünleben bis zu den Minen. Einige hatten den Marsch fast nicht überstanden. Wie auch immer, seitdem war sie hier und arbeitete in der „Mine 3“. Diese galt als ertragreichste der drei Minen, die es hier gab.
    Ihre Eltern oder Grünleben hatte Finscha seither nicht mehr gesehen. Die Mine war nicht nur ihr Zuhause, sondern ihre ganze Welt geworden. Die Dunkelelfen versorgten sie leidlich, und sie hatten trockene Unterkünfte. 150 Lebewesen arbeiteten in dieser Mine, bewacht von manchmal nur zwei, gelegentlich auch von vier oder mehr Dunkelelfen. Einige Lebewesen arbeiteten tief in der Mine, wo sie das Gold aus dem Gestein schlugen. Finschas Aufgabe war es seit jeher, das am Mineneingang aufgestapelte Gold zu einem Vorratslager zu bringen, das etwa fünfzig Schritte entfernt lag. Alle paar Tage kamen ein, zwei Ponywagen der Dunkelelfen vorbei und transportierten etwas von dem Gold ab. Manche der Arbeiter sagten, sie würden hier in der Mine Gutes tun für das Besetzte Land. Alles, was man hier abbauen würde, müssten die Dunkelelfen nicht mehr von den Bewohnern des Landes als Zehnt einziehen. Ohne das Gold aus den drei Minen wäre der Zehnt bestimmt noch höher.
    Finscha machte sich auf den Weg zum Lager. Ihr Blick suchte den Weg vor ihren Füßen ab, damit sie nicht über irgendwas stolperte. Sie verließ den Mineneingang, der in einen kleinen Berg geschlagen und etwa dreimannhoch abgestützt war. Dem Berg sah man seinen Reichtum gar nicht an, seine Schätze lagen tief in der Erde. Je weiter Finscha ging, umso klarer wurde die Luft. Im Mineneingang war es immer stickig und roch leicht nach Moos. Sie beneidete die Leute, die unten in der Mine arbeiteten, nicht. Ein größerer Stein tauchte vor ihr auf dem Weg auf. Sie versuchte, ihn mit ihrem rechten Fuß wegzutreten, ohne das Gleichgewicht zu verlieren. Es gelang ihr leidlich; sie strauchelte zwar, fing sich aber wieder. Als sie den Weg fortsetzen wollte, horchte sie auf. Von weither war eine Art Brummen zu hören, das sie irritierte. In dieser Gegend gab es nicht viele Geräusche, das Gefallene Gebiet war so nahe, dass sich niemand hier angesiedelt hatte, der es nicht musste. Sie konnte das Geräusch, das nur langsam lauter wurde, nicht zuordnen. Mittlerweile blieben auch andere Arbeiter stehen und reckten die Ohren in die Luft. Zwei Dunkelelfenwachen, die sich mit ihren Langbögen auf dem Minenberg platziert hatten und dort in der Sonne faulenzten, erhoben sich und sahen genauso ratlos aus. Finscha entschloss sich, ihren Weg fortzusetzen. Was soll ich auch schon machen? Trotzdem, das immer lauter werdende Grollen beunruhigte sie.

Grünleben, Herrscherpalast
    Mitten in Grünleben, auf einer kleinen Anhöhe, erhob sich der Herrscherpalast der Dunkelelfen. Das fast ganz aus dem teuren und seltenen Glas errichtete Gebäude war ein Meisterwerk dunkelelfischer Architektenkunst, erbaut natürlich von den Händen der Völker des Besetzten Landes. Fünf filigrane Türme, einer an jeder Ecke und einer beim Eingangstor, rahmten den Prachtbau ein. Der Palast war selbstverständlich größer als alle anderen Gebäude der Stadt und von weither sichtbar. Überall waren Fenster eingebaut, deren Glas im Gegensatz zu dem der Fassade auch von außen transparent war. Einige weiße Stofffahnen hingen innen an den Fenstern und
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