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Zweibeiner sehen dich an

Zweibeiner sehen dich an

Titel: Zweibeiner sehen dich an
Autoren: Damon Knight
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mosaikartigen Gehsteige. Aus einem offenen Eingang ertönte verführerische Musik; die roten Blüten des ‚Antarischen Unkrauts’, das sich an den Außenwänden der Häuser hochrankte, verbreiteten einen frischen Duft.
    In einem der überladenen Schaufenster sah ein vorbeigehender junger Mann eine Anzahl grüner Kreaturen, die in Glaskäfigen hockten. Es waren trage, kugel förmige Tiere in der Größe einer Tomate, mit bindfa denähnlichen Auswüchsen und großen, dumpfgrünen Augen. Sie schwammen auf der schaumigen Oberfläche eines Bassins oder kletterten müde auf Brocken nasser Baumrinde. Auf einem Transparent war zu lesen: KAUFEN SIE EINEN WOG FÜR IHRE KINDER.
    Er ging weiter. Die Leute um ihn herum, meist Gruppen oder Paare, waren anders als die, die er bisher im Hamburger Zoo gesehen hatte. Sie waren besser gekleidet, schienen besser ernährt; ihre Haut war klarer und frischer und sie lachten mehr.
    Die Frauen wirkten wie Konfektionsware aus weißblondem Haar, roten Wangen, blitzenden wei ßen Zähnen und glitzernden Nägeln. Sie trugen ihre Klei der mit Stolz und erschienen wie teure Geschen ke in kostbarer Verpackung. Im Gegensatz dazu waren die Männer in strenges dunkel gekleidet, in mattes Rot oder Blautöne. Ihre Schuhe bestanden aus glänzendem Patentleder und ihre Haare waren pomadisiert. Viele unterhielten sich in dem ihm unbekannten Ber liner Akzent. Das Sternenmosaik des Bürgersteigs bebte leicht unter seinen Füßen und zeigte an, daß ein Expreßauto unter ihm dahinraste. Hier oben war die Fußgängerzone, in der es weder Fahrzeuge auf Rädern, noch Luftkissenfahrzeuge gab. Die leuchtenden Streifen der Flugbahnen schimmerten in der Ferne.
    Als er um eine Ecke bog, entdeckte er die Statue eines Mannes in Raumfahrerkleidung, die, den Helm unter dem Arm, mit einem angeberischen Ausdruck im Gesicht auf ein großes, beleuchtetes Reklameschild auf einer Gebäudewand zu starren schien. Worte in Leuchtbuchstaben bewegten sich langsam darauf und erschienen Zeile für Zeile.
    Der junge Mann ging näher heran. Inmitten der Menge der Umherstehenden las er:
     
    INTERPLANETARISCHE LINIENMASCHINE AUF DEM MARS ZERSCHELLT! VERMUTLICH KEI NE ÜBERLEBENDEN. Passagierliste folgt.
     
    DIEBE DER BEWEGUNGSMASCHINE BEGEHEN NEUES VERBRECHEN IN BERLIN!
     
    GROSSE STIMMENMEHRHEIT FÜR DIE ANGLIEDERUNG VON THIESSENS PLANET!
    1150 Jastimmen, 139 Gegenstimmen.
     
    WELTRAUMBÖRSE SCHLIESST NEUE RE KORDZIFFERN AB!
    Gesellschaft für Raumflug (I. C. S. S. A.) in Führung.
     
    LESEN SIE AUSFÜHRLICHE EINZELHEITEN IN DER BERLINER ZEITUNG!
     
    Die Buchstaben sausten weiter wie Zungen einer kalten Flamme. Anschließend folgte eine Werbung für Schultheiß-Bier.
    Der junge Mann wandte sich ab, nachdem er die Schlagzeilen eine Weile aufmerksam verfolgt hatte, ohne sich jedoch für ihren Inhalt großartig zu interessieren. Er ging weiter die Straße hinunter, schaute fasziniert auf die Anzeige eines Filmtheaters, in der durch irgendwelche technischen Manipulationen hellfarbige, zehn Fuß große Figuren von Männern und Frauen zu tanzen schienen, aber selbst hier konnte er sich nicht voll des Gebotenen erfreuen. Er fühlte eine merkwürdige Unruhe, die immer drängender von ihm Besitz ergriff.
    Er verspürte den unwiderstehlichen Drang, sich die muffigen, unbequemen Kleider vom Leib zu reißen. Er war sich darüber im klaren, daß das mit Sicherheit die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich ziehen würde – und außerdem würde sein nackter Körper mit großer Wahrscheinlichkeit frieren. Er hatte bis heute niemals daran gedacht, daß ein solch relativ einfaches Unterfangen derartige Schwierigkeiten mit sich bringen würde.
    Im Zoo hatte er seine eigene Toilette besessen. Das war ein weiterer Punkt, der ihm Kopfzerbrechen verursachte. All diese Leute besaßen sicherlich ebenfalls eine. Aber wo? Wo gingen die Menschen hin, die in Berlin fremd waren? Er sah sich um, fand aber keinen Polizisten, der ihm hätte Auskunft geben können.
    Eine Frau, die eben in Begleitung eines Mannes an ihm vorbeiging, blieb einen Moment stehen und sah ihn an. Er trat auf sie zu und fragte höflich: „Entschuldigen Sie, gnädige Frau, können Sie mir sagen, wo hier eine Toilette ist?“
    Ihr Gesicht zeigte zuerst gelinde Überraschung, dann wandte sie sich schockiert an ihren Begleiter. „Komm weiter“, sagte sie ärgerlich, „der ist ja betrunken.“ Sie ließen ihn stehen und gingen eilig weiter. Das Gesicht des Mannes hatte sich verfinstert.
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