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Zwei Seiten

Zwei Seiten

Titel: Zwei Seiten
Autoren: Alison Grey
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und Jan sahen mich ungläubig an.
    »Was?«, fragte ich. Ich wandte mich an Jan und Nathalie. »Das ist doch, was ihr auch denkt. Nur ich bin diejenige, die es offen ausspricht.«
    Nathalie warf erst mir einen geschockten und anschließend Julia einen entschuldigenden Blick zu.
    »Ich würde jetzt normalerweise sagen, es hat mich gefreut, Sie kennenzulernen«, sagte Julia. »Aber ich hasse es zu lügen.« Mit diesen Worten drehte sie sich um und marschierte davon.
    Ich trank meinen Becher aus und starrte dieser Lesbe hinterher. So eine Schande. Julia sah wirklich nicht aus, als ob sie es nötig hätte, ihre perversen Neigungen mit anderen Frauen auszuleben, anstatt sich mit Männern einzulassen.
    »Isch kann nich‘ glauben, was du da eben gesacht hast.«
    Ich wendete den Blick von der Menge ab und glotzte Nathalie an. »Sag mir nicht, du fühlst dich in der Gegenwart dieser … Person wohl.«
    Nathalie stemmte beide Hände in die Hüften, während sie mit mäßigem Erfolg versuchte, gerade zu stehen. »Isch fasse es nich‘. Ich wusste ja, dasse sexuell verklemmt bist und auch nich‘ auf‘n CSD gehn würdest, aba das war echt daneben.«
    Ich schaute Hilfe suchend zu Jan, der mich mit großen Augen anstarrte.
    »Isch muss zu Daniel gehn, bevor Julia ihm davon erzählt, oder er schmeißt disch achtkandich hier raus«, murmelte Nathalie und schwankte von dannen.
    »Verdammt, deshalb hat er Homos verteidigt.« Jetzt schien unser Streit vor knapp zwei Monaten plötzlich Sinn zu machen.
    Wir waren damals irgendwie auf dieses Thema gekommen, und er hatte gemeint, ich sei fehlgeleitet und wohl aus dem vorletzten Jahrhundert entflohen. Seitdem herrschte zwischen uns Funkstille.
    Ich wandte mich wieder Jan zu. »Meinst du, er würde mich wirklich rausschmeißen?«
    »Ich würde, wenn du so mit meiner Schwester gesprochen hättest«, sagte Jan und ließ mich stehen.
    * * *
    Da stand ich nun mit meinem leeren Becher und niemandem, der mit mir reden wollte. Also beschloss ich, das Badezimmer aufzusuchen. Das Bad war in dem, wie ich fand, ziemlich engen Gang neben der Eingangstür. Ich schlängelte mich durch die Menge und stellte irgendwo den Plastikbecher ab. Endlich am Badezimmer angekommen, musste ich leider feststellen, dass es besetzt war. Ich wartete geduldig.
    Nach einer ganzen Weile ging die Tür auf und ich sah in ein verweintes Gesicht. Es war Julias.
    Ich wich einen Schritt zurück.
    »Keine Sorge, ich fass dich schon nicht an«, sagte die dunkelhaarige Schönheit und rollte mit den Augen.
    Schönheit? Wo kam das denn jetzt her? Egal. Mir entging das Duzen nicht, trotz meines leicht angetrunkenen Zustandes. »Ich habe keine Angst. Ich wollte dir nur genug Platz lassen.« Nach einer kurzen Pause fragte ich leise: »Hast du wegen mir geweint?«
    Julia lachte humorlos. »Ich habe zwar noch nie etwas so Krankes gehört wie von dir, aber du hast nichts damit zu tun.« Sie schaute mich einen langen Moment an, bevor sie erneut den Mund öffnete. Doch ohne etwas zu sagen, schloss sie ihn wieder.
    Eigentlich hätte es mir egal sein können. Ich wollte doch bloß mal kurz das Bad benutzen. Aber ich war neugierig, warum eine Lesbe auf dem Geburtstag ihres Bruders im Bad saß und weinte. »Warum hast du dann geweint?«
    Julia betrachtete mich mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck, und ich trat einen weiteren Schritt zurück. Nur um sicherzugehen. Vielleicht reichte ein freundliches Wort schon und sie würde …
    »Nicht, dass es dich etwas angeht, aber mein Hund ist heute Morgen gestorben.«
    Erfolglos versuchte ich, den plötzlichen Kloß im Hals runterzuschlucken.
    Julia biss sich auf die Unterlippe. »Sag es nicht Daniel. Er mochte Dido sehr.«
    »Dido? Dein Hund hieß Dido?«
    In diesem Augenblick schlängelte sich jemand zwischen uns ins Bad und schloss die Tür. Hoffentlich würde er nicht so lange brauchen.
    »Hast du ein Problem damit?« Julia klang verletzt und ärgerlich zugleich.
    Ich hob verteidigend die Arme. »Nein. Kein Problem. Jemand, der seinen Hund Popeye nennt, hat wohl kein Recht, die Namensgebung anderer zu kritisieren.«
    Das verweinte Gesicht hellte sich etwas auf, und für den Bruchteil einer Sekunde glaubte ich, bei Julia den Anflug eines Lächelns zu erkennen. »Boxer oder Bulldogge?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Popeye ist ein Beagle. Er ist unser Familienhund. Wir hatten ihn erst wenige Tage, als meiner Mutter der Kochtopf mit Spinat runterfiel. Sie fing an, den Boden aufzuwischen, da kam Popeye
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