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Zwei Seiten

Zwei Seiten

Titel: Zwei Seiten
Autoren: Alison Grey
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passieren, wenn du deinen Gefühlen nachgeben würdest?«
    Meinen Gefühlen nachgeben? Was würde ich tun? Julia hier und jetzt küssen? An Julias Nacken knabbern und mit der Zunge über ihren Körper gleiten?
    »Scarlett?« Eine Hand wedelte vor meinem Gesicht herum. »Scarlett, ist alles in Ordnung?«
    »Was?« Ich spürte, wie meine Wangen heiß wurden. »Ich … äh … mir geht‘s gut.« Ich runzelte die Stirn. »Wie meinst du das? Was würde ich tun?« Mit einem Ruck stand ich auf und begann, auf und ab zu gehen. »Ich weiß es nicht.« Weinend vergrub ich das Gesicht in meinen Händen. »Gott, ich fühle mich so verloren.«
    Julia stand auch auf und stellte sich mir in den Weg.
    Ich sah unsicher zu ihr auf.
    Unsere Blicke trafen sich, und während ich in Julias tiefblaue Augen schaute, die mich voller Liebe ansahen, wurde es mir plötzlich klar: Das war es, was ich wollte. Was wir beide wollten. Und es ging hier nicht um richtig oder falsch. Es ging um mich und Julia.
    Mein ganzes Leben war ich vor mir selbst weggelaufen, doch nie hatte es mich irgendwo hingebracht. Nun stand ich vor Julia. Kein Davonlaufen mehr. Kein Verstecken mehr vor dem Menschen, der ich wirklich war. Ob ich tatsächlich damit leben konnte, mit einer Frau … nein, mit Julia zusammen zu sein, würde die Zukunft zeigen.
    Ich legte die Hand auf ihre Wange und streichelte sie mit meinem Daumen. Nach einem Moment ließ ich die Hand wieder sinken, beugte mich vor und gab derselben Wange einen zärtlichen Kuss. Danach bewegte ich meine Lippen zu der anderen Wange und platzierte auch dort einen sanften Kuss. Es folgte ein vorsichtiger Kuss auf Julias Stirn. Alles fühlte sich vollkommen richtig und natürlich an.
    Julias Augenlider fielen zu.
    Mein Herz raste. Ich wollte das. Ich brauchte das. Wie in Zeitlupe berührten meine Lippen ihre. Es war nur ein Moment und doch änderte es alles. Mein ganzer Körper kribbelte und Julias Lippen auf meinen raubten mir den Atem. Ich schloss die Augen und küsste sie erneut. Diesmal länger.
    Julia zog mich näher zu sich.
    Ich hätte erwartet, dass sie den Kuss intensivieren würde, doch sie tat nichts dergleichen. Sie schien mich entscheiden zu lassen, wie weit ich gehen wollte.
    Julias Rücksichtnahme und die vielen Emotionen, die mich durchströmten, ließen erneut Tränen kommen. Doch diesmal waren es keine Tränen der Traurigkeit. Ich unterbrach den Kuss und umarmte Julia.
    Es hatte sich richtig angefühlt. In diesem Moment wusste ich, dass alles gut werden würde.

Epilog
    »Brauchst du Hilfe, Schatz?«, rief Julia aus dem Wohnzimmer.
    Ich hatte uns gerade heißen Kakao gemacht und eilte mit beiden Tassen zur Couch vorm Kamin. »Nein. Bin schon hier.« Im Strandhaus von Julias Eltern fühlte ich mich mittlerweile fast genauso zu Hause wie in unserer Viereinhalb-Zimmer-Wohnung in der Stadtmitte. »Schon hier«, wiederholte ich.
    Julia schenkte mir ein warmes Lächeln.
    Ich stellte unsere Getränke auf dem Couchtisch ab, setzte mich neben Julia und kuschelte mich an sie.
    »Es war eine tolle Idee von dir, das große Fotoalbum mitzunehmen«, murmelte Julia und vergrub ihr Gesicht in meinem Nacken. Ihre Lippen berührten meine Haut kaum und dennoch bekam ich eine Gänsehaut.
    Ich liebte es, wenn Julia das tat. Zustimmend nickte ich und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf den Mund. »Hättest du die Idee zu diesem Album nicht gehabt, hätte ich nie auf die Idee kommen können, es mitzunehmen.«
    Julia grinste. »Deine Logik ist wie immer unschlagbar.«
    Langsam schlug ich die erste Seite auf.
    Julia deutete auf ein Foto. »Hehe, da siehst du mich an wie ein Koch eine Kakerlake in der Küche.«
    Ich kicherte. Es war ein Foto von Daniels Geburtstagsfeier mit Julia, Oliver und mir. »Nathalie hatte mir wenige Minuten vorher erzählt, dass du lesbisch bist. Und dann sollte ich neben dir stehen und lächeln.«
    »Arme Scarlett. Du hattest schon ein schweres Leben damals.«
    Ich stupste sie in die Seite.
    »Hey.« Julia lachte. »Nicht so brutal.«
    Seite um Seite betrachteten wir die Bilder im Album.
    Ich tippte auf ein Foto von Nathalie, Daniel und Julia total verschwitzt mit Kartons bepackt. »Hihi, da sind wir zusammengezogen.«
    »Du meinst wohl, da hast du dich schließlich dazu überreden lassen, mich als Mitbewohnerin zu ertragen.«
    Wir lachten und blätterten weiter.
    Irgendwann stöhnte ich laut auf. »Gott, dieses Karnevalskostüm war wirklich pervers.«
    Julia betrachtete das Bild von uns beiden in
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