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Zwei Neue auf Burg Schreckenstein

Zwei Neue auf Burg Schreckenstein

Titel: Zwei Neue auf Burg Schreckenstein
Autoren: Oliver Hassencamp
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rief Andi. „Fahn wir morgen mal zu der Dame.“
    „Ach, ihr sucht nur einen Grund, damit ihr in die Pedale treten könnt! Und bis ihr wiederkommt, hängt euch die Zunge raus und ihr habt alles vergessen“, frotzelte Mücke die beiden.
    „Mann! Du tust ja gerade so, als ob wir nach 80 km schon künstlich ernährt werden müssten“, gab Andi zurück.
    Am Nachmittag des folgenden Tages ließen sich Dampfwalze und Andi vom „Bauerndienst“, wie die Feldarbeit auf der Burg genannt wurde, befreien und flitzten mit ihren Rennrädern nach Neustadt. Dampfwalze, der Muskelprotz mit dem Spatzenhirn, hatte große Umsicht entwickelt: Die Fürsorgerin war von seiner Mutter zum Tee eingeladen worden und konnte sofort ausgequetscht werden. Schon nach dreieinhalb Stunden kamen die beiden wieder zurück.
    „Also, wir müssen bei der Horn schwer auf die Tube drücken!“ berichtete Andi. „Da gibt es Spezialausdrücke, die alte Pädagogen in die Knie zwingen.“
    Er zog einen Zettel aus der Tasche und las vor: „Beni darf nicht in die Isolation gedrängt werden... er braucht Gemeinschaftserlebnis... Geborgenheit in der Gruppe... weil er keine Nestwärme gehabt hat...“
    „Die haben erst wir ihm gegeben“, sagte Mücke und hatte die Lacher auf seiner Seite. Beni lag nämlich noch im Krankenquartier. Die beiden Radrennfahrer berichteten derart umfassend über Erziehungsprobleme aus der Sicht der Fachleute, dass Stefan schallend herauslachte.
    „Jetzt sehe ich erst, wie wichtig wir genommen werden! Damit sollte sich doch einiges anfangen lassen“, meinte er.
    Vorbereitet, als hätten sie eine große Klassenarbeit zu schreiben, kletterten Stefan, Ottokar, Strehlau, Mücke, Andi und Hans-Jürgen in zwei Boote und ruderten hinüber nach Rosenfels.
    „Auf einmal versteh ich den Gang nach Canossa“, spielte Strehlau auf den Geschichtsunterricht bei Dr. Waldmann an.

Canossa

Kaiser Heinrich IV. war einer der mächtigsten Herrscher des Mittelalters und ein politisches Schlitzohr. Er hatte solchen Streit und Ärger mit dem Papst, dass der Papst gegen ihn den päpstlichen Bann aussprach. Das heißt in moderner Sprache: Er verfluchte ihn, stieß ihn aus der Kirche aus und erklärte jeden für straffrei, der ihn erschlug. Also: christlich, lieb und verzeihend war solch ein päpstlicher Bann bestimmt nicht. Durch diesen Bann wackelte natürlich der Thron Heinrich IV. ganz klar, denn jeder Diener konnte ihm einen Dolch zwischen die Rippen jagen, ohne Angst vor einer Strafe haben zu müssen. Also sagte sich Kaiser Heinrich: Den Papst stelle ich auf die Probe, ob er überhaupt ein richtiger Christ ist. ich ziehe mir ein Büßergewand an, gehe barfuss, werfe mich dem Papst zu Füßen und erflehe christliche Gnade. Gewährt er sie mir nicht, dann gibt es Krieg mit der Kirche, gewährt er sie mir, ist der Bann aufgehoben und der Papst muss lieb und nett zu mir sein in Zukunft. Und dieses Treffen von Heinrich IV. und Papst Gregor VII. fand vor 900 Jahren (1077) in Canossa statt, einer Felsenburg in Oberitalien. Der Bann wurde aufgehoben. Heinrich IV. war der Sieger. Wenn heute ein Schüler sagt: „Ich gehe nach Canossa“, dann meint er, er muss einen Bittgang machen, z. B. zum Lehrer, zum Rex, zum Hauswirt usw.

    „Ich finde, das ganze ist viel mehr wie vorm Abi“, widersprach Ottokar.
    „Wir haben gelernt, was wir konnten. Jetzt müssen wir Glück haben.“
    „Viel Glück!“ hatte auch der Rex gesagt, der die Abordnung am Bootssteg verabschiedete. So was war eben nur auf der Burg möglich. Lange hatten die Ritter beratschlagt, ob es nicht doch sinnvoll sei, Jerry mitzunehmen. Er kannte Benis Zuhause und konnte die mangelhafte Nestwärme schildern wie sonst keiner. Aber sie hatten ihn dann auf eine Bemerkung Stefans hin doch dagelassen: Wir müssen uns für ihn stark machen. Uns kennt die Horn. Sie weiß, dass wir Wort halten. Wenn wir einen Neuen mitbringen, denkt die altmodische Tante sofort, dass ihr auch in Zukunft ähnliches bevorsteht, wie das, was sie mit Beni erlebt hat.

    „Oho! Ritterlicher Besuch! Und so landfein. Seid ihr zu einer Beerdigung unterwegs?“ fragte Bettina unter vielstimmigem Geschnatter, als die Boote unter den Trauerweiden in den Hafen fuhren. In Rosenfels war Badenachmittag. Die ganze Schule plantschte herum. Selbstverständlich unter Aufsicht. Das dicke Fräulein Böcklmeier verdrängte Wassermassen wie ein Tanker.
    „Schwimmen Sie nicht so schnell, sonst kentern wir!“ rief Strehlau ihr zu.
    Wer
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