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Zwei Neue auf Burg Schreckenstein

Zwei Neue auf Burg Schreckenstein

Titel: Zwei Neue auf Burg Schreckenstein
Autoren: Oliver Hassencamp
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er eine Meinung vertrat und weil er es durch seine offene Art und seine Leistungen zu dem gebracht hatte, was Mücke, der alle Begebenheiten in Sätze umformte, so formulierte: Jerry ist ein frischer Wind. Vielleicht ein neuer Typ von Ritter, in jedem Fall ein Wind, der uns noch ordentlich ins Gesicht blasen könnte. Solches Vorschuss-Lob war nicht zuletzt Folge einer ritterlichen Tat, schon vor dem Eintritt in die Schule auf der Burg. Jerry hatte Beni und Martina von ihrem Elternhaus befreit — eine Leistung, die sich keiner der Ritter zutraute. Neben diesem überragenden Jerry fiel Beni überhaupt nicht auf. Es sei denn dadurch, dass er nach kaltem Rauch roch. Aus seiner Leidenschaft für blauen Dunst machte er kein Hehl, andererseits versuchte er auch niemanden dazu zu verleiten, sondern ging seiner Wege und glänzte, wo immer es sich einrichten ließ, durch Abwesenheit. Die Ritterschaft nahm ihm das nicht weiter übel. Bei den katastrophalen Umständen, denen er sein Hier sein verdankte, genoss er, ähnlich wie seine Schwester Martina auf Rosenfels, eine Art Narrenfreiheit. Diesem Umstand und Jerrys unverhohlener Kritik war es zuzuschreiben, dass der Streich nicht das gewohnte Echo fand. „Ausgerechnet Beni!“ meinte Pummel voller Mitgefühl.
    Der kleine Kuno wurde deutlicher: „Zu Hause hat er Dresche gekriegt, und hier machen sie ihn vollends fertig.“
    Beni erschien zu keiner Unterrichtsstunde. Eugen, der mit ihm im Westflügel zusammen wohnte, besuchte ihn vor dem Mittagessen im Krankenquartier. Beni sah grau aus. „Wie geht’s dir denn?“ wollte Eugen wissen. „Mann“, stöhnte Beni, „ich hab nur Durst. Aber sowie ich oben was reinfülle, bin ich unten schon unterwegs.“
    Eugen nickte teilnahmsvoll und brachte die Lage auf den eindeutigen Nenner: „Beschissen.“
    Heute gab es ein neues Gericht, das die Ritter „Küchenhilfe“ nannten: Ein undefinierbarer Brei, von dem Heini, der Koch, und alle seine Helfershelfer in der Küche, einhellig begeistert waren.
    „Nichts ist schneller und leichter zu machen“, schwärmten sie.
    „Nichts schmeckt langweiliger und nach weniger Saft“, motzten die Ritter. Als Nachtisch gab es Apfel — auch so was, das ein leeres Gefühl im Magen hinterlässt.
    Der Rex läutete mit dem silbernen Glöckchen, die Ritter schwiegen. Ottokar ging ans Schwarze Brett, läutete mit der Kuhglocke und sagte das Neueste an: „Gleich nach Tisch ist Schul-Versammlung im Wohnzimmer.“
    „Wie nicht anders zu erwarten“, bemerkte Strehlau, nachdem der Rex aufgestanden und hinausgegangen war. Jerry nickte.
    „Jetzt wird er in die Pfanne gehaun!“
    „Es ist eben nicht mehr wie früher!“ unkte Fritz. Ritter und Lehrer begaben sich ins Wohnzimmer, wo sie sich vor dem großen Kachelofen im Halbkreis aufstellten. Beni, um den es wohl ging, glänzte wieder durch Abwesenheit. Die Lehrer, vor allem Rolle, Gießkanne, Dr. Schüler und Dr. Waldmann, schauten besorgt drein. Da trat, gefolgt von Schulkapitän Ottokar, der Rex ein.
    Er stellte sich dem Halbkreis gegenüber und begann ruhig, wie immer, ohne sich anmerken zu lassen, was er empfand: „Wenn ein Schüler fliegt, ist das immer eine unangenehme Sache für alle Beteiligten. Er muss sich außerhalb der Gemeinschaft gestellt haben — das spricht auch gegen seine Mitschüler — und er muss etwas absolut Unzulässiges getan haben — das spricht auch gegen seine Lehrer. Bei Beni kommt ein Drittes hinzu. Was er gemacht hat, widerspricht dem, was wir hier ‘ritterliche Haltung’ nennen. Beni hat uns nicht belogen, aber er hat sich sehr eindeutig gegen alles gestellt, was unserer Art der Gemeinschaft entspricht. Erschwerend kommt hinzu, dass er sich bei seinen Machenschaften nicht auf die Burg beschränkt hat. Ausgerechnet er, der vom Jugendamt überwacht wird, muss bei den Mädchen drüben Schnaps brennen. Das wirft das denkbar schlechteste Licht auf uns. Fräulein Dr. Horn ist dabei, den Fall dem Jugendamt zu melden. Sie verlangt Konsequenzen. So wird Beni wahrscheinlich in ein Fürsorgeheim kommen. Und wir können ihm nicht helfen.“
    Ein Raunen ging durch die Reihen, undeutlich zunächst, bis ausgerechnet der nicht eben wortgewandte Dampfwalze das aussprach, was alle empfanden: „Wenn die Horn... äh, wenn Fräulein Dr. Horn beim Jugendamt petzt, dann richtet sich das gegen Sie, Rex. Dagegen haben wir was. Das nehmen wir nicht einfach so hin. Wenn ein Ritter oder einer von Schreckenstein was macht, was er nicht soll,
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