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Zwei Esel Auf Sardinien

Titel: Zwei Esel Auf Sardinien
Autoren: authors_sort
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empfinden und die niemand mehr verändern kann, man kann sie nur betrachten und als Erinnerung mit nach Hause nehmen.«
    » KOMM, BRUNO , KOMM , JUTTA , TANZT DEN BALLU TUNDU MIT UNS !«, rufen Giulia und Maurizio im Chor.
    Salvatore beharrt darauf, jetzt klatschen auch Donna Assunta und die anderen Gäste in die Hände, um uns zu ermutigen. Wir reihen uns in den Kreis um das Brautpaar ein und überlassen uns dem mitreißenden Rhythmus der Musik:
    » EIN HOCH AUF DAS BRAUTPAAR !«

Epilog
Villasimius
    Bruno
    Das sanfte Rauschen der Brandung klingt wie eine Melodie, der Strand liegt im schönsten Sonnenlicht voller Wehmut da, als ob melancholische Sehnsucht untrennbar mit dieser unberührten Landschaft verbunden sei. Wir haben beschlossen, uns vor der Rückreise noch ein wenig Meer zu gönnen. Aber nicht das Meer an der Costa Smeralda, sondern das unendlich weite und wilde bei Villasimius im Südosten der Insel, dessen würzige Salzluft direkt in unser Hotelzimmer dringt. Vom Fenster aus sehen wir die Sarazenentürme und die Leuchttürme, deren Lichter die Küste abtasten, die Granitfelsen und diesen kompakten roten Sand mit weißlichen Einsprengseln; ein Fläschchen damit steht immer noch hier in meinem Bücherregal. Mit den Augen suchen wir den Horizont nach einem Flamingo, einem Kormoran oder einer Silbermöwe ab. Wir hatten Meer dringend nötig, und zwar genau dieses Meer. In dem von grünblauem Wasser umspielten La Caletta lassen wir unsere Erlebnisse noch einmal Revue passieren. Ganz früh am Morgen sind wir zu einem Spaziergang aufgebrochen und haben uns sofort mit einem Fischer angefreundet. Ein alter Mann, sein Gesicht wird mir immer in Erinnerung bleiben. Er war nicht besonders groß, sein Haar war noch nicht ergraut und sein Gesicht sonnenverbrannt und voller Falten. Am Anfang verständigten wir uns nur mit Blicken und ein paar unbeholfenen Worten unsererseits. Er war gerade mit seinem Boot eingelaufen und bot uns Seeigel an, deren köstlichen Geschmack wir so bald nicht vergessen werden. Er trat näher, während er mich unverwandt anschaute, und ich lächelte ihm zu, wie immer, wenn ich einem Fremden begegne. Er lächelte zurück. Jutta ging ans Meer und ließ ihre Füße von den Wellen umspielen, sie war hin- und hergerissen, ob sie nicht schwimmen gehen sollte, obwohl das Wasser schon sehr kalt war. Der Fischer bedeutete mir, mich zu setzen. Mit den Händen strich er den Sand glatt und nahm sich ein Stöckchen. Immer noch sagte er kein Wort, und das erstaunte mich sehr, aber ich respektierte sein Schweigen. Nun zog er viele Linien in den Sand, schrieb für mich seinen Namen »Pineddu« und reichte dann das Stöckchen an mich weiter, weil er meinen wissen wollte. Er lächelte erneut und zeichnete wieder Striche in den Sand, die sich zu Figuren, Szenen und Geschichten zusammenfügten. Vielleicht hatte er sich die Geschichten selbst ausgedacht, Geschichten ohne Worte, nur Linien im Sand, Geschichten, die so lange dauern, bis eine Welle sie wieder fortspült. Einfache, wunderschöne Geschichten aus einer stummen Welt, denn der Mann war stumm, wie ich von den anderen Fischern des Dorfes erfuhr. Er war ein Einzelgänger, er kannte den Klang seiner Stimme nicht, weil er noch nie gesprochen hatte. In seinen Augen leuchtete das Licht des Lebens, und der Schmerz war nur ein leiser Schatten darin. Ich traf ihn am nächsten Tag wieder, er erwartete mich schon an diesem winzigen, wilden Strand und wollte mir wieder Seeigel schenken. Aber an diesem Morgen kam er mit einem Stift, zwei leeren Blättern und einer kleinen Flasche. Es war klar, was er wollte. Er wusste, dass wir am nächsten Tag abreisen mussten. Nun wollte er unsere Geschichte erfahren. Er drückte mir den Kugelschreiber in die Hand und legte mir das Papier auf die Knie. Ich zitterte. Wo sollte ich anfangen? Ich sog den Duft des Meeres ein und begann unsicher, über meinen nächtlichen Ausritt mit Ferru zu schreiben. Jetzt treibt eine Abschrift davon, versiegelt in einer Flasche, irgendwo im Tyrrhenischen Meer, eine weitere ist bei Pineddu geblieben, der kleinen großen Seele von Villasimius. Während ich schreibe, betrachte ich die kleine Flasche in meinem Bücherregal: Darin entdecke ich Bilder und Menschen, Erinnerungen, die immer wiederkehren.

Villasimius
    Jutta
    Erinnerungen verändern sich, Erfahrungen verlieren mit dem Fluss der Zeit an Gewicht, vor kurzem noch Tragödie, jetzt plötzlich Komödie. Im Sich-nicht-so-ernst-Nehmen liegt das
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