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Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition)

Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition)

Titel: Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition)
Autoren: Chuck Pfarrer
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weiterleben oder sterben würde, aber an einen solchen Flashback kann ich mich nicht erinnern. Vielleicht bin ich nicht kontemplativ genug. Vielleicht habe ich mich auch nie als Opfer gesehen. Jetzt wusste ich nur, dass ich auf die Erde zuraste und sterben würde, wenn es mir nicht gelang, ein Rätsel zu lösen. Das Rätsel betraf meinen Hauptschirm. Warum hatte er sich nicht geöffnet?
    Aber das war vollkommen egal. Mein Leben hing davon ab, ob ich rechtzeitig den Reserveschirm öffnen konnte. Ich rekapitulierte nicht mein Leben, sondern tauchte in die »Adrenalinwelt« ein. Das passiert mir fast immer, wenn ich in unmittelbarer Lebensgefahr schwebe. Der Planet hört auf, sich zu drehen. Alles wird ganz langsam und still. Ich hörte nicht mehr das Donnern der Düsentriebwerke. Ich hörte den Wind nicht mehr um meinen Helm pfeifen. Ich spürte nicht mehr, dass mir die Regentropfen wie Luftgewehrkugeln ins Gesicht schlugen. Die Welt war in Zeitlupe. Das einzige Problem war, dass ich mich in etwa fünf Sekunden mit 53 Metern pro Sekunde in die Erde bohren würde.
    Auf der Gangway des Flugzeugs unmittelbar vor dem Sprung hatte mein Höhenmesser 230 Meter angezeigt. Ich schätzte, dass ich jetzt noch etwa 150 Meter fallen würde, ohne funktionierenden Fallschirm.
    Sie werden zum Lesen dieser Worte etwa die gleiche Zeit brauchen, wie meine Notlage dauerte. Meine Gedanken waren klar und schnell: relative Geschwindigkeiten, Wahrscheinlichkeiten, Handlungsmöglichkeiten und ihre Folgen. Ich schien in absoluter Stille zu fallen, aber mein Geist arbeitete wie besessen. Alles, was ich jetzt beschreibe, geschah in weniger als 15 Sekunden. In dieser Zeit entschied sich, ob ich sterben oder weiterleben würde.
    Ich war mir bewusst, dass alles, was ich in den wenigen Sekunden probieren würde, durchaus vergeblich sein konnte. Trotzdem würde ich mich dem Problem widmen und kämpfen, bis ich einen Schirm geöffnet hatte oder auf dem Boden aufschlug. Ich war darauf trainiert, diverse Störungen an Fallschirmen zu beheben, und so konnte ich ein Menu von Fehlfunktionen und Gegenmaßnahmen abrufen. Ob ich lebte oder starb, ich würde meinem Störungsdrill folgen. Das Problem war nur, dass ich nicht wusste, welche Störung vorlag.
    Ich zog die Knie an die Brust und brachte mich dadurch in eine sitzende Position; ich fiel nun wie auf einen Stuhl geschnallt. Ich schaute nach oben. Der Hilfsschirm hatte sich geöffnet, aber der Hauptschirm war in seiner Nylontasche stecken geblieben. Statt eines 9 Quadratmeter großen Schirms hatte ich einen Nylonklumpen von der Größe eines Brotlaibs über mir. Und der bremste mich nicht sonderlich ab. Meine Augen änderten ihren Fokus und in gerader Linie mehr als 100 Meter über mir sah ich die viereckigen Schirme der anderen Springer. Die Schirme der anderen Rastas wurden kleiner und verschwanden allmählich in der niedrigen Wolkendecke. Ich fiel wie ein Stein.
    Bleib bei der Sache, sagte ich mir, halte dich an den Drill. Ich warf meine Reißleine weg, und meine Hand bewegte sich zu dem sogenannten Twinkie, der sich auf der Höhe meiner rechten Schulter an meinem Gurtzeug befand. Der Twinkie ist ein gepolsterter Nylongriff, mit dem sich der Hauptschirm abtrennen lässt. Bevor ich den Reserveschirm öffnete, musste ich den Hauptschirm abtrennen, sonst war der zweite Schirm nutzlos, weil er sich in dem knatternden Schlauch über mir verheddern würde.
    Die Bedienung des Twinkie erfolgt in zwei Schritten: Zuerst muss er aus dem doppelt genähten Klettverschluss befreit werden, mit dem er befestigt ist. Dann musst er mit seiner etwa einen halben Meter langen Leine vom Körper weggezogen werden, damit der Hauptschirm von den Leinen abgetrennt wird, die ihn mit dem Fallschirmgurt verbinden. Mein Blick fiel auf das leuchtende Zifferblatt meines Höhenmessers. Er zeigte 122 Meter, die niedrigste empfohlene Höhe für den Einsatz des Reserveschirms. Halte dich an das vorgeschriebene Verfahren, sagte ich mir. Improvisation ist etwas für Verzweifelte.
    Ich hatte den Twinkie aus seinem Klettverschluss befreit und war drauf und dran, den Hauptschirm abzutrennen, als der sich öffnete. Mehr oder weniger. Drei der acht Zellen des Hauptschirms hatten sich aus der Tasche befreit. Ich riss den Kopf nach oben, während ich abgebremst wurde. Was für ein Glück, aber zum Überleben würde es nicht reichen!
    Ich schaute erneut auf den Höhenmesser. Er zeigte 90 Meter, 30 Meter unter der Mindesthöhe für den Einsatz des
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