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Zuhause ist ueberall

Zuhause ist ueberall

Titel: Zuhause ist ueberall
Autoren: Barbara Coudenhove-Kalergi
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wir waren Kinder. Jetzt ist sie eine Matrone, und wir sind erwachsen. Ein fröhliches, herzliches Wiedersehen. Emilkas und Mařenkas alte Mutter besteht darauf, dass wir bei ihr wohnen. Ich wäre eigentlich lieber im Gasthof abgestiegen, aber das kommt gar nicht in Frage. Betten werden bezogen, das Beste wird aufgetischt. Und als wir wieder nach Hause fahren, ist unser Auto vollbeladen mit Speck vom letzten Schweineschlachten, selbsteingekochter Himbeermarmelade und heurigen Kartoffeln aus dem Garten. Aus Michi ist inzwischen ein hungriger Kunststudent geworden. Der kann etwas Ordentliches zum Essen gebrauchen, findet Frau Steffanova.
    Ihr Mann arbeitete seinerzeit für meinen Großvater und wurde von allen Fuxík genannt, weil er ein schönes Fuchsengespann führte. Ein kleiner, drahtiger Mensch, so wortkarg, wie seine Frau gesprächig ist. Pferde waren sein Leben. Jetzt arbeitet er auf der JZD, der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft. Er ist schon über siebzig, aber er kann und will nicht aufhören mit dem Arbeiten. Die meisten jungen Leute, sagt er, wissen heute gar nicht mehr, was das ist, richtig arbeiten.
    Die meisten – aber nicht sein Sohn Franta. Der kann das. Und der ist inzwischen auch der Vorsitzende der JZD geworden und damit der Chef seines Vaters. Franta führt uns herum. Vater Steffan, sagt er, ersetzt im Betrieb drei Facharbeiter. Mir gefällt es, dass der junge Vorsitzende die älteren Arbeiter respektvoll mit »pane Špaček« anspricht, während diese zu ihm, seine Autorität durchaus anerkennend, weiter Franta und du sagen. Über Politik reden wir nicht.
    Ich erinnere mich daran, dass mein Großvater in den Jahren nach der Vertreibung immer gesagt hatte, die Halunken und Rabauken damals seien »von auswärts« gekommen, während »unsere Leute« sich sehr anständig benommen hätten. Hat sich Breznitz verändert? Die Landschaft ist immer noch da. Das Schloss auch. Mir fällt nur auf, dass auf dem Vorplatz inzwischen ein großer Sowjetstern prangt, aus roten Geranien kunstvoll gebildet.
    Und jetzt, Jahre später, sind wir also neuerlich hier, diesmal gleich drei Generationen stark. Und als zahlende Kunden. Der Sowjetstern ist weg. Herr Bartak empfängt uns, der Verwalter des Schlosses, das nun Museum ist und im Eigentum der staatlichen tschechischen Schlösserverwaltung steht. Für unsere Taufgesellschaft hat er sich mächtig ins Zeug gelegt. Aus dem nahen Wallfahrtsort Přibram hat er einen Pater aufgetrieben, der sogar ein bisschen deutsch kann. Und einen schönen Saal stellt er uns in Aussicht, für das Taufessen nachher.
    Es wird eine schöne Feier. Wir haben Blumen mitgebracht und die Kapelle festlich geschmückt. Der Pater hat irgendwo in seinem Kloster noch ein deutsches Gebetbuch gefunden, das kommt jetzt zu Ehren. Er böhmakelt wunderschön. Widersagst du dem Teufel?, fragt er vorschriftsmäßig. Der Täufling brüllt. Die Tanten sind gerührt. Und vom Altar aus blicken die goldenen Engel und Heiligen milde auf das Ganze herunter wie eh und je.
    Und dann wird getafelt. Aus dem nahen Wirtshaus Zum Weißen Löwen, wo wir auch wohnen, hat der Wirt Lungenbraten mit Knödel geliefert, das neue Nationalgericht. Der traditionelle Schweinsbraten ist nicht mehr in Mode, da zu fett. Aber was ist das für ein Raum, in dem wir da sitzen? Mit den Resten von mittelalterlichen Fresken an der Wand? Wozu hat er in unserer Kinderzeit gedient? Plötzlich fällt es Jakob und mir ein. Das ist das Zimmer, in dem Vinca früher immer die Schuhe geputzt hat! Das sieht unserem Banausen von Großpapa wieder ähnlich!
    Herr Bartak mit Frau und Kindern sitzt auch mit am Tisch. Die Kinder haben sich über die Sprachgrenzen hinweg bereits angefreundet. Tereska, die kleine Verwalterstochter, darf unseren neugetauften Camillo streicheln und ist hingerissen. Der Nachtisch wird serviert. Alles plaudert angeregt. Ein seltsames Mittagessen. Wer ist hier eigentlich Gast? Wer ist Gastgeber? Sind wir Heimkehrer? Vertriebene? Oder einfach Touristen? Jakob und ich sehen uns über den Tisch hinweg an und müssen plötzlich lachen.
    Jakob hält eine kleine Rede und dann ergreift Herr Bartak das Wort. Wir hätten ja gesehen, sagt er, dass man hier gut auf alles aufpasse. Das Schloss gehöre jetzt dem Staat, aber es wisse ohnehin jeder, »dass das früher euch gehört hat«. Und jetzt wolle er uns zu einer Führung durch die Räume einladen. Wir stoßen an, mit Breznitzer Bier.
    Kateřina, die Fremdenführerin, war auch
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