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Zuhause ist ueberall

Zuhause ist ueberall

Titel: Zuhause ist ueberall
Autoren: Barbara Coudenhove-Kalergi
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blonden deutschen Mutter, mit dem Slogan »Einer schützt unsere Kinder«. Alles auf SS-schwarzem oder judensterngelbem Grund.
    Mich packt wieder einmal der Zorn. Als die Plakate auftauchen, gehe ich ins Büro des Flüchtlingsdienstes und berichte, was ich gesehen habe. Es ist die Zeit der Manifeste und Unterschriftenaktionen. Ich schreibe einen Text: »Im Wahlkampf wird neuerlich versucht, gegen Ausländer und Ausländerinnen Stimmung zu machen. Die Plakatkampagne der FPÖ suggeriert, dass unseren Kindern durch Zuwanderung Gefahr droht. Wir protestieren dagegen, dass Ausländer und Ausländerinnen pauschal diskriminiert und kriminalisiert werden. Wir wehren uns dagegen, dass Ausländerhass salonfähig wird. Wir wissen uns darin eines Sinnes mit allen Österreichern und Österreicherinnen, die über die schleichende Vergiftung des Klimas in unserem Land besorgt und empört sind.« Die Protestanten, voran der Flüchtlingsdienst-Chef Michael Bubik, sagen sofort: Gut, wir machen das. Eine »Initiative gegen Anti-Ausländerhetze im Wahlkampf« wird gegründet. Und wir gehen daran, Unterschriften zu sammeln.
    Wider Erwarten schlägt die Sache ein. Wir keilen Gratis-Inserate in zahlreichen Zeitungen. Ein Graphiker erstellt gratis ein Plakat. Wir marschieren durch die Fußgängerzonen und bitten die Geschäftsleute, es auszuhängen. Erstaunlich viele tun es. Eine Verkäuferin sagt: Der Chef ist nicht da, geben Sie her. Eine Werbeagentur meldet sich. Und viele, viele unterschreiben. Gewerkschafter, Wirtschaftsleute, Künstler, Funktionäre aller Parteien außer der FPÖ und natürlich die »üblichen Verdächtigen« aus der linken Szene. Meine Freunde aus der Caritas zögern. Sie hätten lieber einen positiven Text à la »Für Fairness im Wahlkampf«. Sie müssen vorsichtig sein, schließlich brauchen sie für ihre vielfältigen Aktivitäten Unterstützung von so vielen Seiten wie möglich. Aber ich bleibe ausnahmsweise hart. Wir sind schließlich nicht der Bundespräsident, und gutmenschliche Gemeinplätze interessieren jetzt niemanden. Fünfmal ruft der Wiener Caritaschef Michael Landau an, notiere ich in meinem Tagebuch. Aber dann unterschreiben er und der Österreich-Präsident Franz Küberl doch. Wenn’s drauf ankommt, kann man sich auf die beiden verlassen.
    Inzwischen finden die Wahlen statt, und die Freiheitliche Partei legt gewaltig zu. Es gibt Regierungsverhandlungen und eine schwarz-blaue Koalition wird immer wahrscheinlicher. Die bislang honorig-konservative ÖVP kokettiert mit den Rabauken von ganz rechts. Jetzt regt sich im ganzen Land Besorgnis und Widerstand. Ein Komitee wird gebildet, das Jörg Haider »die linke Jagdgesellschaft« nennt. Der Republikanische Club, der schon die Kampagne gegen die Wahl des Bundespräsidenten Kurt Waldheim mit dessen dubioser Vergangenheit gemanagt hat, wird zum Zentrum der Bewegung. Eine Sitzung jagt die andere, Radikale und weniger Radikale diskutieren. Der Schriftsteller Doron Rabinovici bringt prominente Gäste aus dem Ausland. Mir gefällt das nicht, ich hätte das Ganze lieber strikt österreichisch gehalten. Aber jetzt ist nicht der Zeitpunkt zum Streiten über Details.
    Und es geht etwas weiter. Am 12. November findet unter dem Motto »Keine Koalition mit dem Rassismus« in Wien eine Großkundgebung statt und ist ein Riesenerfolg. Der Heldenplatz ist voll, es sieht kaum weniger eindrucksvoll aus als damals, als Adolf Hitler die »Heimkehr« Österreichs ins Deutsche Reich »meldete«. Auch ich muss, neben zahllosen anderen, eine Rede halten.
    Die »Koalition mit dem Rassismus« kommt trotzdem zustande. Wir sind froh, dass das »andere Österreich« wenigstens ein kräftiges Lebenszeichen gegeben hat. Aber mir ist nicht wohl dabei. Proteste sind schön und gut. Aber letztlich finden sich bei dergleichen doch immer nur diejenigen ein, die ohnehin einer Meinung sind. Was ist mit den vielen anderen, die sich wirklich vor den Zuwanderern fürchten? Die der Propaganda der FPÖ und der Agitation der Kronen-Zeitung glauben, der auflagenstärksten Zeitung im Lande? Die Leute in den Vorstadtbezirken, die plötzlich Tür an Tür mit Fremden leben müssen und sich von diesen, oft nicht ohne Grund, gestört und in ihrer gewohnten Lebensweise bedroht fühlen? Studien zeigen, dass Angst und Ablehnung dort am größten sind, wo die Menschen überhaupt keine Ausländer kennen. Die ausländerfeindlichste Gemeinde im Lande, lese ich, ist die Gemeinde Gurk in Kärnten. Dort aber ist
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