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Titel: Zugriff
Autoren: E Pallay
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unerträglich und die Nervosität ebenfalls. Würde der Fremde mit einem Schlüssel aufsperren und einfach hereinspazieren?
    Erneut schrillte die Klingel und dann, hartnäckiger jetzt, ein weiteres Mal. Einen Schlüssel besaß der offenbar nicht. Trotzdem: Man wusste nie. Blitzschnell überlegte ich: Die Situation war optimal für einen Zugriff von gegenüber, schließlich wandte der Mann dem zweiten Team den Rücken zu, war ganz auf unsere Wohnung konzentriert. Den Entschluss zu fassen und den Befehl dazu über Funk zu geben war eins, dann stürmten Ronald, Otto und Tim auch schon auf den Flur und überwältigten in Windeseile den schockierten Mann. Nur handelte es sich nicht um einen Komplizen der Gesuchten. Pech für uns. Der von uns Verdächtigte war bloß ein lästiger Versicherungsvertreter, der auf der Suche nach neuen Kunden die Häuser reihum abklapperte. Wir entschuldigten uns, redeten geheimnisvoll irgendwas von einem Überwachungseinsatz und schickten ihn schleunigst fort. Jedenfalls war sein Auftauchen das einzige Highlight an einem ansonsten ausgesprochen langweiligen Nachmittag, und so waren wir rechtschaffen froh, als wir uns um 20 Uhr verabschieden durften.
    Zurück in unserer Pension rief ich meine Frau an, um ihr mitzuteilen, dass sie vermutlich noch ein Weilchen ohne mich auskommen müsse. Damit lag ich allerdings falsch, und zwar gewaltig. Keine zwei Stunden später, kurz vor 22 Uhr – wir saßen gerade vor dem Fernseher –, holte mich die Pensionswirtin ans Telefon. Ein Kollege von der Ablösung war dran. Ich verstand ihn kaum, so aufgeregt wie er war. » Wir haben eine Frau erschossen, die beim Aufsperren der Wohnungstür eine Waffe zog.« » Bin gleich da«, sagte ich und war schon draußen.
    Vor Ort erfuhr ich Näheres. Die Gruppe in der Nachbarwohnung beobachtete gerade eine Frau und gab die Beschreibung an unsere Ablösung weiter. » Zierliche Person, etwa 30 Jahre alt, blonde Haare, Handtasche …« Weiter kamen sie nicht, denn die Unbekannte steckte einen Schlüssel ins Schloss, drehte ihn zweimal und stand im Flur. » Polizei! Keine Bewegung!«, rief ihr der nächststehende Kollege zu. Woraufhin sie eiskalt und völlig unbeeindruckt aus dem Hosenbund eine großkalibrige Waffe zerrte. Zur Schussabgabe indes kam sie nicht mehr. Von zwei Kugeln getroffen sank sie zu Boden und starb kurze Zeit darauf. Der Notarzt konnte nur noch den Tod von » Frau Meier« feststellen. Unserer Ablösung war gar keine andere Wahl geblieben: ihr Leben oder das der RAF -Sympathisantin.
    Angesichts der Brutalität, mit der die Gruppe ihre Opfer liquidierte, konnte kein Zweifel bestehen, dass andernfalls » Frau Meier« geschossen hätte. Das zeigte schon die Munition in ihrer Waffe: Dumdumgeschosse, die im Körper verheerende Zerstörungen verursachen. Dabei hätte ihr keiner der Anwohner so etwas zugetraut. Nachbarn beschrieben sie später als unauffällige Mieterin. Die Tarnung war perfekt, wie so oft bei den Mitgliedern der RAF , die ja zum größten Teil brave Bürgerkinder gewesen waren, bevor sie in die Terrorszene abrutschten. In der Wohnung, so die Erkenntnisse des Bundeskriminalamts, hatten sich tatsächlich viele der noch lebenden Topterroristen aufgehalten. Doch jetzt war sie, wie es im Branchenjargon heißt, » verbrannt«, und eine weitere Observierung erübrigte sich damit.
    Im Dienstbetrieb des SEK Südbayern kehrte wieder Normalität ein, wenngleich ein solcher Einsatz unseren Ehrgeiz anstachelte, die eigenen Leistungen und die der Gruppe zu steigern. Wir trainierten weiter für Ernstfälle wie diesen, und auf meine Anregung hin wurde seinerzeit ein spezieller Fünfkampf für das Kommando eingeführt – Vorstufe des noch heute obligatorischen Leistungsnachweises. Wer bei diesem Test nicht die Mindestanforderungen erbringt, muss das SEK verlassen.
    Außerdem wurde damals die Idee für zahlreiche Wettkämpfe geboren. Nicht aus purem Spaß, sondern aus der Einsicht heraus, dass die Bedrohung durch international operierende, organisierte Kriminalität grenzübergreifend eine veränderte Taktik der Polizeieinsätze erfordert. Und eine Erhöhung der Schlagkraft. So fand beispielsweise regelmäßig ein Vergleichsschießen zwischen den bayerischen SEK s und den Spezialisten des Landeskriminalamts statt, bei denen ich einmal sogar den ersten Platz im Pistolenschießen belegte. Und dann natürlich der absolute Höhepunkt: der Combat Teams Competition ( CTC ), die inoffizielle Weltmeisterschaft der
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