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Zug um Zug

Zug um Zug

Titel: Zug um Zug
Autoren: Helmut Schmidt / Peer Steinbrück
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persönlich gehört zu den enttäuschendsten Ergebnissen seiner Politik, dass er Guantánamo nicht wirklich hat auflösen können.
    Steinbrück:   Er ist mit der Hypothek gigantischer Erwartungen angetreten, die er in der steinigen politischen Ebene bisher aber nicht erfüllen konnte. Ein Rätsel bleibt für mich, warum er die aberwitzigen Steuerprivilegien für die Reichen aus der Zeit von Bush jr. nicht abgeschafft hat, als er dies mit einer Mehrheit im Kongress noch hätte durchsetzen können, um so zur Konsolidierung des US-Haushaltes beizutragen. Was mich wundert in den Gesprächen, die ich mit Amerikanern führe, ist die Tatsache, dass die öffentliche Verschuldung der USA in der Wahrnehmung der meisten Amerikaner lange Zeit keine besondere Rolle spielte – »Deficits don’t matter«, meinte Vizepräsident Dick Cheney. Diese Einstellung mag sich in jüngster Zeit geändert haben. Trotzdem: Die gesamtstaatliche Verschuldung läuft langsam auf 15 Billionen US-Dollar hinaus; hinzu kommen die jährlichen Leistungsbilanzdefizite, die auch als Indiz abnehmender Wettbewerbsfähigkeit interpretiert werden dürfen, und die private Verschuldung – also Konsum auf Pump. In der amerikanischen Staatsverschuldung und ihrer Finanzierung sehe ich eines der großen Risiken für die weitere weltwirtschaftliche Entwicklung. Die amerikanische Zentralbank hat in nie gekannter Höhe Staatsanleihen und Unternehmensanleihen aufgekauft und damit eine ungeheure Liquidität geschaffen – was inflationäre Tendenzen in Gang setzen könnte, die schnell über die Grenzen der USA hinausschwappen.
    Schmidt:   Die private Verschuldung, die Sie erwähnen, hat sich im Wesentlichen ausgewirkt auf dem Sektor der Einfamilienhäuser. Die Leute haben ihre Häuser verloren, weil sie die Hypothek nicht bedienen konnten. Die seit Jahren andauernde Arbeitslosigkeit ist für sie aber noch viel schlimmer. Was sie berührt, ist der Umstand, dass sie soundso lange nun schon keinen Job haben und dass die Aussicht, morgen oder übermorgen einen zu bekommen, nicht sonderlich groß erscheint. Ich glaube mit Blick auf die Vitalität der Amerikaner allerdings nicht, dass die hohe Arbeitslosigkeit in den USA eine dauerhafte Beeinträchtigung bleibt.
    Steinbrück:   Da bin ich mir nicht sicher angesichts des Verlustes von Kapazitäten und Know-how in der US-Industrie und angesichts des Tempos, in dem Schwellenländer auch bei technologisch anspruchsvollsten Fertigkeiten aufholen. Und was die Mechanismen der Immobilienfinanzierung in den USA angeht, so belasten die Schulden letzten Endes die Bilanzen der amerikanischen Banken. Die Frage ist, ob dadurch nicht früher oder später erneut einige Banken in den USA marode werden oder zumindest in erhebliche Labilitäten geraten könnten, ob also hier nicht eine weitere Erschütterung droht. Das ist das eine. Das Zweite ist, dass die Amerikaner, politisch vermittelt, endlich von dieser Droge der Verschuldung entwöhnt werden müssten. Die Regierung – egal wer sie stellt – müsste die Courage haben, den Amerikanern zu erläutern, erstens: Wir können die Steuern nicht senken, sondern wir müssen sie, im Gegenteil, erhöhen. Und zweitens: Wir müssen Ausgaben senken, insbesondere auch im amerikanischen Militärhaushalt, der nach wie vor eine Größenordnung von 670 bis 700 Milliarden Dollar beansprucht. Mit einem Wort: Ich habe den Eindruck, dass ein Paradigmenwechsel in der amerikanischen Finanzpolitik vorgenommen werden müsste, der allerdings nur sehr schwer zu vermitteln ist und angesichts der fiskal-populistischen Haltung vieler Republikaner neue Zerreißproben begründen würde.
    Schmidt:   Die Wünschbarkeit eines solchen Paradigmenwechsels kann ich nur unterstreichen. Nicht aber habe ich den Eindruck, dass die gegenwärtige Administration mit vollem Ernst und voller Kraft in diese Richtung arbeitet. Ausdrücklich unterstreichen möchte ich auch Ihre Bemerkung über den amerikanischen Militärhaushalt, zu dem ja die Kriegskosten für Afghanistan noch dazugerechnet werden müssen. Da ist in der Tat jedes Maß verlorengegangen. Oder genauer: Da herrschen noch die alten Maßstäbe aus der Zeit des Kalten Krieges.
    Steinbrück:   Gerade die Kürzung des Militärhaushaltes wird aber gegenüber den Republikanern kaum durchzusetzen sein; für sie ist das Militär ein Tabu, weil sie darin ein Indiz oder eine Art Referenz für die Stärke Amerikas sehen. Im Übrigen sind sie nicht nur strikt gegen
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