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zuadraht

zuadraht

Titel: zuadraht
Autoren: Werner Kopacka
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dem Gebäude den Rücken zu. Sein Mörder wartet im Schatten des alten Bootshauses, bis die Luft rein ist und keine anderen Jogger in der Nähe sind, dann tötet er ihn mit einem gezielten Stich ins Herz. Das Messer steckt in der Leiche, und man findet am Griff eindeutige DNS-Spuren. Noch kann man sie nicht zuordnen. Die Kripo sucht verzweifelt nach Tatzeugen, aber es gibt keine. Am nächsten Morgen liest Graz allerdings die Hanser-Kolumne. Und selbst die größten Trottel in der Mordgruppe erkennen plötzlich den Zusammenhang. Hanser ist verschwunden, hat sich mit einem seltsamen Brief von seinem Chef für immer verabschiedet, in seiner Wohnung und in der Redaktion gibt es Unmengen von DNS-Material. Dieses wird mit dem vom Tatort verglichen, und siehe da – man hat den Täter! Dich!
    „Jeder, der mich kennt, jeder weiß, dass ich so etwas niemals tun würde. Ich bin ein Journalist, kein Mörder.“
    Und du säufst. Wodka, habe ich Recht? Jeder in deiner Redaktion weiß, dass du die Flasche brauchst, um deine Kolumne schreiben zu können. Es ist schlimmer geworden in letzter Zeit, stimmts? Mehr Flasche. Alkoholiker. Nicht ganz, aber schon fast. Bisher knapp an der Grenze, plötzlich darüber. Sie trauen es dir zu, ich hab mit deinen Kollegen geredet. Der dreht eines Tages durch, haben sie gesagt. Der Stress, jeden Tag ein Thema zu finden, ist für jeden Kolumnisten mörderisch. Der Hanser hat durchgedreht, keinen wundert‘s. Recht und Gerechtigkeit – da ist sie, die Gerechtigkeit! Dein Leben ist im Arsch. So wie es meines war. Durch dich.
    „Durch mich? Was hab ich getan? Ich flehe dich nochmals an, bitte, sag es mir. Es kann sich nur um ein Missverständnis handeln, wir können alles aufklären, hier, den ganzen Wahnsinn, ich will weg, bitte lass mich weg.“
    Ein winselnder Wurm. Wie oft hab ich mir den großen Killerschreiber in dieser Rolle vorgestellt. Alles beobachtet, alles notiert, alles geplant. Jetzt winselst du und ich empfinde gar nichts. Ich weiß nur, dass ich besser bin als du. Es wahrscheinlich immer schon war. Ich war immer schon besser als die anderen. Ich hätte es ihnen damals schon beweisen können, wenn du mich nicht vernichtet hättest. Jetzt muss ich es eben auf andere Art beweisen, und du bist mein Instrument dazu. Dafür wirst du auch der Einzige sein, der am Ende die Wahrheit kennt.
    *

»Dipi . . .di dípi dipi dípi dipi. . . düüü, düdl düü dü düüü düü. . . dü düdl düdl düüü . . . düdl düüü dü düüü düü . . . dü düdl düdl düüü . . . düdl düüü dü düüü düü . . . dü düdl düdl düüü . . . düdl düüü dü düüü düü . . . dü düdl düdl. . . Schau, dọ liegt a Leich im Rínsäu, ‚s Bluad rinnt in Khanäu. Hęast, des is makháwa, dọ liegt jọ a Khadáwa. Węa isn des, sọg kennst du den, bei den zaschnidnen Gsicht khån i des ned sęgn . . . düdl dü düd, düdl dü düd, düdl dü düüüu!
    Selbst wenn ich es zu verhindern versuchte, ginge es nicht. Ich muss es tun. Unweigerlich und jedes Mal. Es ist, wie soll ich sagen . . . „Da Họfa wọa‘s, vom Zwànzgahaus, dęa schaud ma so fadéchdig aus, da Họfa họd an Ånfọi griagd und họd de Leich dan“ . . . es ist fester Brauch des Lebens und fester Brauch des Sterbens . . . „massagríad, düdl dü düd, düdl dü düd, düdl dü düüu“, Man muss feste Bräuche haben. Als würde nicht bloß das eine das andere bedingen, sondern auch das andere das eine, Sie verstehen? Das Lied und der Tod, der Tod und das Lied, sie sind eins. Fahre ich in Richtung Tod, singe ich das Lied. Ich singe mich dem Tod entgegen. Glaube ich mich ungesehen, lauthals. Spotten mir forschende Blicke, aus offenen Wagenfenstern oder von nahen Gehsteigen und Zebrastreifen hergeworfen, leishals. Worte und Melodie presse ich dann als Bauchsänger durch gefletschte Zahnreihen. Singe ich, so gleiche ich darin diesen beiden merkwürdigen Vögeln. Ah, die Patrouille.
    Ich ließ meinen Wagen auf dem Gehsteig des Marburger Kais fallen, gerade dort, wo blaues Licht die fliehenden Reste der schwarzen Luft durchschlug, als könnte es, das blaue Licht, dachte ich, wie der flackernde Laternenschein an den hoch aufgeschossenen Altstadthäusern auch, antreten zum sinnlosen Wetttanz gegen die Übermacht der Dämmerung.
    Der eine Vogel ist Fotograf, dachte ich weiter, und schälte meine steifen Glieder aus dem Türrahmen, der andere Kameramann. Immer im Dienst unserer Leser, sagt der eine. Immer im Dienst
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