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Zu Hause in Almanya

Zu Hause in Almanya

Titel: Zu Hause in Almanya
Autoren: Aysegül Acevit
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genannt, und sie geben einen Eindruck davon, wie die Turkvölker jener Zeit im Gebiet des Altai, des heutigen Kasachstans, Sibiriens und der Mongolei lebten. Diese und viele Tausend andere Überreste ihrer Kultur wurden von Archäologen und Turkologen in die ganze Welt getragen und untersucht, weitere schlummern noch immer in Archiven und Museen, wo sie auf ihre Entdeckung warten.
    Diese frühen Türken waren in der Mehrheit Anhänger des Schamanismus und verehrten die Natur. Sie erzählten sich den uralten Mythos von der Wölfin Asena, die ihr Volk gerettet haben sollte, oder glaubten an Gök-Tengri, den Gott des Himmels. Ein Teil praktizierte auch andere Religionen, wie etwa den Buddhismus, dessen Texte ins Türkische übersetzt wurden.
    Für Alp und Tulpar und ihre Familie war das Zelt nicht nur eine Behausung, es war ihr Heim, das sie mit sich nahmen, es war ihre Heimat. Das Zelt war so stabil, dass es bei Wind und Regen sicher war und vor Kälte und Wärme schützte, und so geräumig, dass mehrere Personen gut darin leben konnten. In der Jurte fand sich alles, was man zum täglichen Leben brauchte: eine Kochstelle, Sitzmöglichkeiten, Betten, Vorratskammer Waschgelegenheit. So ein Zelt musste groß genug sein, dass man darin gut aufrecht stehen konnte, und vor allem musste man dieses Zelt in kürzester Zeit, etwa innerhalb einer Stunde, aufbauen oder abbauen können. Deshalb hatte die Jurte ein Gerüst aus Holzstäben, das man kreisförmig aufstellte, worauf dann eine Krone gesetzt wurde und alles mit dicken Seilen und festen Stoffen aus Wolle und Filz mehrfach verkleidet wurde. Durch die Mitte der Dachkuppel ragte oft ein Zylinder, der wie ein Kamin funktionierte. Dort gab es auch die Kochstelle und einen niedrigen Tisch, an dem alle gemeinsam essen konnten. An der Wand entlang standen bequeme Sitzgelegenheiten und Truhen, in denen man Gegenstände sicher aufbewahren konnte. Der Boden war mit Teppichen ausgelegt und nachts wurden dicke Wollmatten zum Schlafen ausgerollt. Geschmückt und überzogen war die Einrichtung mit gewebten, farbenfrohen Stoffen, die die Frauen mit traditionellen Mustern bestickt hatten.
    Wie andere asiatische Völker auch waren die Türken gute Zeltbauer, denn als Nomaden zogen sie stets von Ort zu Ort. Sie aßen Joghurt und am Spieß gebratenes Fleisch, backten Fladenbrot und tranken Säfte, die sie aus Pflanzen herstellten. Die Frauen trugen silbernen Schmuck, den sie im Haar befestigten oder um den Hals und an den Händen trugen. Sie knüpften Teppiche oder Stoffe, die sie im täglichen Leben verwendeten.
    Nicht nur Alps Familie lebte so, sondern auch alle anderen Familien, und überall dort, wo sie sich niederließen, bildeten sie regelrechte Zeltstädte. Unter den Nomaden gehörte stets das größte und prunkvollste Zelt dem Oberhaupt des Volkes oder des Clans. Einige Volksgruppen wurden mit der Zeit sesshaft und siedelten sich in Oasen an. Es gab viele verschiedene türkische Clans und Dynastien, die sich mitunter gegenseitig bekämpften, sich gegen Dritte verbündeten oder sich friedlich zusammenschlossen.
    Im Jahr 552 nach Christus gründete sich das erste türkische Reich, das Reich der Gök-Türken, der »Himmelstürken«, das mit einer Unterbrechung fast 200 Jahre lang bestand und vom Baikalsee bis zur Chinesischen Mauer reichte. Es war eine Föderation verschiedener Dynastien, der 50 000 bis 100 000 Menschen angehörten. Für damalige Verhältnisse war es ein regelrechtes Imperium.
    Über die genaue Bedeutung des Wortes »Türk« streiten sich heute die Wissenschaftler. Eine Vermutung lautet, dass es »mächtig« bedeutet. Die Menschen im Reich der Gök-Türken verwendeten unterschiedliche Schriftarten und sprachen verschiedene Dialekte, und selbst wenn sie von ihrer Herkunft her nicht einmal Türken waren, so war das, was sie alle verband, die gemeinsame Sprache, das Türkische. Selbst im Laufe der Jahrhunderte, als Volksgruppen weiter süd- und westwärts zogen, mehr und mehr Kontakt zu anderen Völkern bekamen, sich mit ihnen vermischten oder sesshaft wurden und andere Sprachen dazulernten, blieb Türkisch die verbindende Gemeinsamkeit.
    Aus der Menge der Föderationen, die das Reich der Gök-Türken bildeten, tauchte bald ein Clan auf, der von sich reden machte: die Oghusen beziehungsweise die O ðuzlar . Auch sie waren Nomaden, aber sie waren vor allem berühmt und berüchtigt für ihre Reiter. Im Krieg konnten einige Tausend von ihnen als Verbündete den Sieg bedeuten.
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