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Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)

Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)

Titel: Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)
Autoren: Stephan Ludwig
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noch gut einen Kopf kleiner als ich. Okay, dafür war er doppelt so breit, aber trotzdem: Warum um alles in der Welt habe ich mich nicht gewehrt? Warum?
    Die Antwort lag nahe, und er konnte sie sich selbst geben: Er hatte sich fast in die Hosen gemacht, so einfach war das. Natürlich, er hatte versucht, den Überlegenen zu spielen (zumindest das, so hoffte er inständig, war ihm halbwegs gelungen), aber dann, als es ernst wurde, hatte er gekniffen. Und es lag nicht nur daran, dass es so schnell gegangen war. Niemals ( never , wie Schröder sagen würde) hätte er zuerst zugeschlagen.
    Vielleicht war es die Müdigkeit, sein Geist war noch mürbe vom Schlaf, trotzdem hatte er in diesem Augenblick einen seiner wenigen hellsichtigen Momente.
    Ich bin ein Sesselfurzer, dachte er, ein Theoretiker, der nur eine große Klappe hat, solange er hinter seinem Schreibtisch hockt. Anscheinend bin ich eines von diesen Arschlöchern, die sich sprücheklopfend durchs Leben schummeln und nie im Traum daran denken würden, auch nur den kleinen Finger krumm zu machen, wenn etwas getan werden muss.
    Er stand auf und stellte die Kaffeemaschine an. Während er ins Bad schlurfte, fuhr er sich mit der Hand prüfend über den Magen und stellte fest, dass er so gut wie keine Schmerzen hatte. Nur ein leichtes Pochen erinnerte an die schmachvolle Niederlage des Vortages.
    Beim Pinkeln stützte er sich mit der Hand an die Wand neben der Toilette. Hörte das Plätschern in der Kloschüssel, ein vertrautes Geräusch, das sich mit dem Blubbern der Kaffeemaschine im Nebenzimmer mischte. Normalerweise dachte er in diesen Momenten gar nichts, doch jetzt schoss ihm etwas anderes durch den Kopf:
    Niederschmetternd war nicht nur die Einsicht, dass er offensichtlich ein sehr feiger Mensch war. Claudius Zorn fühlte sich gekränkt, in seiner Ehre verletzt, schlimmer noch, das Ganze war ihm peinlich. Ein erwachsener Mann, ein Polizist, der sich zu Füßen eines aufgepumpten Teenagers in Naziklamotten im Dreck wälzt! Nur zu gut erinnerte er sich an seine Erleichterung, als er wieder zu sich gekommen war und festgestellt hatte, dass anscheinend niemand etwas von dem Zusammenstoß auf dem Parkplatz mitbekommen hatte. Warum war ihm das so wichtig gewesen? War er nichts weiter als ein Prolet, ein Macho, gefangen im vormittelalterlichen Männlichkeitswahn? Schon immer? Und er hatte es sich nur nicht eingestanden? Und was, verdammt nochmal, hätte er getan, wenn dieser durchgeknallte Udo jemand anderen angegriffen hätte? Eine junge Frau oder einen alten Mann? Hätte er, Zorn, dann auch den Schwanz eingezogen (um im Bild vom mittelalterlichen Macho zu bleiben) und getan, als hätte er nichts bemerkt?
    Zorn seufzte, als er sich die Hände wusch. Na ja, brummte er seinem zerknitterten Spiegelbild zu, vielleicht hatte ich einfach nur einen schlechten Tag.
    Er ging zurück in die Küche und hockte sich wieder an den Tisch. Der Kaffee war noch nicht durchgelaufen. Gelangweilt sah er sich um. Dann fiel sein Blick wieder auf das, was da vor ihm lag: die Birne, die Kiwi und die Zigarette.
    Es stimmte: Er hatte sich fest vorgenommen, auf seine Ernährung zu achten, bewusster zu leben, mehr als eine Mahlzeit am Tag zu sich zu nehmen, die er, meist am frühen Abend, hastig und lustlos in sich hineinstopfte. Es konnte nicht schaden, so hatte er gedacht, wenn er bereits am Morgen etwas aß. Etwas Kleines würde reichen. Etwas Gesundes, mit Vitaminen und so.
    Er nahm die Birne in die Hand und beäugte sie misstrauisch. Sie lag schon seit geraumer Zeit in der Küche, hatte Druckstellen und braune, an den Rändern grünliche Flecken. Zorn roch vorsichtig daran und verzog das Gesicht.
    Nein, gesund sah das nicht aus. Weg damit.
    Aus dem Handgelenk warf er die Birne in Richtung Spüle und lachte kurz auf, als sie in perfekter Kurve durch die Küche segelte und mit einem satten Plopp im Mülleimer landete.
    Er griff zur Kiwi und wog sie prüfend in der Hand. Sie fühlte sich pelzig an, die feinen Härchen auf der Schale erinnerten ihn an Spinnenbeine. Auch sie war übersät mit dunklen Druckstellen. Kein Wunder, schließlich hatte sie gestern einiges mitgemacht: Erst war sie unter eine Supermarktkasse und dann ein gutes Stück über den Parkplatz gerollt.
    Wie macht man das Ding auf?, überlegte Zorn. Mit dem Messer? Oder mit dem Löffel? Dazu müsste ich aufstehen, und dazu habe ich jetzt keine Lust.
    Das tat er dann aber doch, denn im Nebenzimmer klingelte sein Handy . Like a
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