Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zopfi, Emil

Zopfi, Emil

Titel: Zopfi, Emil
Autoren: Spitzeltango
Vom Netzwerk:
vorbeischauen.»
    Hermann zögerte. Vielleicht war es ein Zeichen, dass die beiden nicht von der Polizei waren.
    «Übrigens möchten wir Ihnen noch zum Geburtstag gratulieren», sagte der Kahle.
    Der mit dem Gel im Haar hob seine Stimme an. «Zu Ihrem Siebzigsten, Herr Amberg. Ist das nicht ein Glückstag?»
    Hermann sah die beiden an. «Treten Sie ein», sagte er.

    «Mr. Brown? Nach Chicago?» Robert nickte. Eine Hand mit rot lackierten Fingernägeln nahm sein zerfleddertes Ticket entgegen.
    «Wie viele Gepäckstücke, Mr. Brown?»
    «Keine.»
    «Kabinengepäck?»
    «Auch keins.»
    Nach einer kurzen Pause vernahm er das Klicken der Computertastatur, von den Fingern mit den spitzen Nägeln angetippt. «Mr. Brown … da ist eine Botschaft für Sie.»
    Er erschrak. Sah hinter sich, wo mehrere Leute mit Rollkoffern in der Schlange standen, von einem Fuss auf den andern traten, mit ihren Smartphones spielten.
    «Unser Fundbüro meldet, Ihr Koffer sei aufgetaucht. Man habe Sie mehrmals angerufen, aber nicht erreicht.» Der Koffer sei irrtümlich von Frankfurt nach Moskau weitergeleitet worden. Am Vorabend sei er nun eingetroffen. Wenn er wünsche, würde man ihn mit seinem Flug nach Chicago spedieren.
    «Warum Moskau?»
    «Keine Ahnung. Ein Fehler der Logistik.»
    «Chicago ist okay», sagte Robert, «ich will nicht nach Moskau.»
    Er nahm die Bordkarte entgegen. Sein Koffer, der Vortrag über Max Frisch, Relikte seines vergangenen Lebens. Des Lebens Nummer zwei. Alles über Bord, dachte er. Im Koffer würde er ein paar Dollarscheine finden, frische Hemden und Socken, sein Notebook. In Chicago würde er unterkommen. Leben Nummer drei beginnen.
    Er ging an einem offenen Café vorbei zur Passkontrolle. Am vordersten Tisch sah er sie sitzen, für eine Sekunde trafen sich ihre Blicke. Wie ertappt schaute sie auf das Smartphone, das neben ihrer Kaffeetasse lag. Ariane. Er blieb stehen, doch sie blickte krampfhaft auf das Gerät, so schien ihm. Tippte mit einem Finger darauf herum. Wollte ihn nicht erkennen. Oder sich nicht zu erkennen geben. Ihre Lippen bewegten sich. Sie redete in ein Freisprechmikro. Kein Zufall, dass sie hier war. Vielleicht hatte er sich getäuscht. Ariane, Sara, die Stumme … Er litt unter Verfolgungswahn.
    Die Frau im Café hatte ihre Haare zu einem Zopf geflochten und aufgesteckt. Ariane hatte sie offen getragen, glaubte er sich zu erinnern. Er täuschte sich bestimmt. Ohne sich umzusehen, ging er auf den Schalter der Passkontrolle zu. Da zupfte ihn jemand am Ärmel, er zuckte zusammen.
    «Entschuldigen Sie …» Eine Dame mit weissen Haaren stand neben ihm. «Sie haben da was am Rücken.»
    Sie zog an der Etikette der Daunenjacke, die über den Kragen hing. Er hatte vergessen, sie zu entfernen nach dem Einkauf. Nach dem proletarischen Einkauf, wie man das nannte. Die Kapitalisten bestehlen, wie einst Robin Hood, der gerechte Räuber.
    «Ist wohl besser, wenn Sie das nicht so offen zeigen.» Die Dame stellte sich auf Zehenspitzen, schob ihm die Etikette zwischen Kragen und Rücken hinunter. Er bedankte sich. Sie lächelte schelmisch, zwinkerte ihm zu. Sara, dachte er, so sähe sie heute aus. Sara, mein Schutzengel.
    Vor der Passkontrolle stellte er sich in die kurze Schlange. Im Spiegel einer Glasscheibe sah er Ariane noch immer am Tisch des Cafés. Nun sass sie aufrecht, schaute herüber. Ariane oder eine Doppelgängerin ohne das Friedenszeichen aus Messing, das sie stets getragen hatte. Ohne den komischen Hut mit dem flachen Deckel. Wenn es Ariane war, wusste sie, dass er diesen Flug nahm. Er hatte das am ersten Abend erwähnt. Vielleicht hatte er noch mehr preisgegeben.
    Die Schlange kam nur langsam voran. Ein Mann mit einem Turban schien ein Problem zu haben. Im Spiegel sah Robert zwei Herren der Schlange entlanggehen, ein Dicker auf der einen, ein Hagerer auf der andern Seite, grauer Anzug, Krawatte. Zivilpolizei. Sie suchten Robert Brönimann. Er aber hiess Brown. Ich bin nicht Brönimann. Ich bin Rob Brown, Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika, pensionierter Professor der University of Iowa. Ich kenne keinen Brönimann, nie gesehen, nie gehört. Was soll ich mit diesem komischen Namen, ich kann ihn ja kaum aussprechen. Tut mir leid, meine Herren.
    Er stand in der Schlange, jemand tippte ihn auf die Schulter. Der hagere Zivilpolizist. Der Dicke stand hinter ihm. Sie hatten ihn in der Zange, das Spiel war aus.
    «Entschuldigen Sie, Ihr Name bitte?» Der Hagere zeigte einen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher