Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zopfi, Emil

Zopfi, Emil

Titel: Zopfi, Emil
Autoren: Spitzeltango
Vom Netzwerk:
Faustschlag hatte ihn nicht zum Schweigen gebracht. Das hätte nur er geschafft. Mit der Pistole.
    Pippo sah auf seine Hände, sie waren noch schmutzig vom Abstieg durch die Hänge des Uetlibergs. Die Fingernägel abgebrochen, mit schwarzen Rändern. Er schwieg. Er war kein Verräter, hatte auch damals geschwiegen, trotz vielen Verhören. Im Prozess hatte er alles auf sich genommen. Tscharner war unerkannt geblieben, war ohne Strafe davongekommen.
    Der Anwalt warf Pippo einen Blick zu. «Mein Mandant verweigert die Antwort auf Ihre Frage.»
    «Danke.» Der Untersuchungsrichter tippte, stand dann auf. «Bitte warten Sie hier, bis das Protokoll ausgedruckt ist.» Er verliess den Raum.
    Amacher trat ans Fenster. «Tut mir leid Pippo. U-Haft lässt sich nicht vermeiden. Aber ich bekomme dich schnell wieder heraus, keine Angst. Angesichts deines Alters und deiner Lebensumstände wird das keine grosse Sache.»
    «Schon gut», sagte Pippo. «Das Essen im Knast ist doch besser als zu Hause.»
    Er trat neben den Anwalt, sah durch die Gitter hinaus. Die Sonne stand über den beiden Türmen des Grossmünsters jenseits der Limmat. Die Berge waren fern in Dunstschleiern verschwunden. Das Wägital, die Schwarzenegg, die Wälder und Alpweiden. Auf den Gipfeln lag der erste Schnee.

    Die Sonne schien auf den schmalen Balkon gegen den Hof. Die Platte mit dem Rührei, das Hermann zubereitet hatte, duftete. «Vom Biobauernhof aus dem Knonauer Amt. Alter Freund von mir.»
    Er rückte das Körbchen mit den Semmeln und Buttergipfeln zur Seite, stellte die Platte auf das runde Tischchen. Alles war da, Butter, Honig, Käse, Orangensaft. Servietten mit Blumenmuster und die Teller und Tassen mit Goldrand aus dem Hochzeitsservice seiner Mutter. Dass seine keinen Henkel mehr hatte, achtete man kaum.
    «Kaffee kommt gleich.»
    Ruth lehnte sich ans Geländer.
    «Wie schön du es hast hier.»
    «Gib acht», sagte Hermann, «das Geländer ist etwas angerostet.»
    Ruth setzte sich auf den Klappstuhl, fächelte sich mit der Serviette Luft zu. Hoffentlich hält der Balkon stand, dachte er. Man musste wohl doch gelegentlich etwas erneuern. Wenn sich das noch lohnte.
    Sie lächelte ihm zu. Ihr Gesicht erschien ihm im Sonnenlicht jünger, als er sie geschätzt hatte. Der kindliche Ausdruck, das Muttermal auf der Wange, Ableger des grossen auf ihrem breiten weissen Rücken mit den Umrissen der Trauminsel Bali. Hermann dachte an ihren Körper unter dem weiten schwarzen Kleid. Sie hatte geduscht, um die Haare ein schwarzes Tuch gebunden. Sie langte kräftig zu, Honig tropfte auf ihre Finger, sie leckte sie mit Genuss ab und blinzelte ihm zu. Dann schob sie sich mit der Gabel Rührei in den Mund. Als ob wir seit Jahren ein Paar wären, dachte Hermann. Der Rentner und die zwanzig Jahre jüngere lustige Witwe. Vielleicht musste ich siebzig werden, um die Frau meines Lebens zu finden.
    Er ging in die Küche, mahlte Kaffee. Blickte versonnen in den Kranz der blauen Gasflammen. Er war nicht mehr im Bett gewesen, seit ihn die Frau und der Kurde geweckt hatten, war durch die Strassen des Quartiers gewandert, hatte in der Migros am Limmatplatz eingekauft für das Frühstück, mit dem er Ruth überraschte.
    Der Kaffeekocher dampfte und blubberte, er trug ihn hinaus, schenkte ein. Sie ass noch immer mit Appetit und einem zufriedenen Ausdruck im Gesicht. Im Hof bastelte ein Junge an einem Moped, liess immer wieder den Motor aufheulen. Zwei Mädchen spielten mit einer Katze. Ein Verkehrsflugzeug zog über die Stadt hinweg und zeichnete einen weissen Kondensstreifen in den Himmel.
    Die Hausglocke ging. «Polizei», entfuhr es Hermann.
    Ruth hörte auf zu kauen, sah ihn mit offenem Mund an. «Hast du was angestellt?»
    Hermann nahm einen Schluck Kaffee, stand auf. «Eine alte Geschichte.»
    Er straffte sich, stopfte das Hemd in die Hose und ging zur Tür. Im Treppenhaus standen zwei Männer, die ihm bekannt vorkamen. Ein Glatzkopf mit Ohrring, ein Typ mit dickem Gel in den Haaren. Ein Geruch von Rasierwasser und Männerparfüm umgab die beiden.
    Der mit dem gelierten Haar streckte ihm die Hand hin. «Guten Tag, Herr Amberg.»
    Hermann sah vom einen zum andern. Der Kahle nickte ihm zu, murmelte ebenfalls einen Gruss. Der andere zog ein Plastikmäppchen aus seinem Aktenkoffer, hob es mit zwei Fingern in die Höhe. «Wir haben unser Angebot noch etwas aufgebessert. Dürfen wir es Ihnen vorstellen?»
    «Tut mir leid. Ich habe Besuch.»
    «Ach so? Wir können später nochmals
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher