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Zombieparade: Storys (German Edition)

Zombieparade: Storys (German Edition)

Titel: Zombieparade: Storys (German Edition)
Autoren: Max Brooks
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Hundertachtundsiebzig. Das funktionierte noch. Hundertsiebenundsiebzig.
    Zählen … und wieder zählen, jeden blutigen Faustabdruck, jede Fußspur, jede panisch, hektisch eingedrückte Stirn. Hundertsechsundsiebzig.
    Das passiert, wenn man nicht aufpasst. Geh da NICHT wieder hin!
    Es funktionierte immer, auch wenn es jedes Mal ein wenig länger zu dauern schien. Letztes Mal hatte er bis einundvierzig runtergezählt. Diesmal kam er bis neununddreißig.
    Du hast dir was zu trinken verdient.
    Aufzustehen bedeutete Schmerzen. Sein Rücken
tat weh. Seine Knie taten weh. Seine Schenkel, Waden und Knöchel brannten ein wenig. Ihm wurde schwindlig. Darum hatte er die morgendlichen Dehnübungen aufgegeben. Das Schwindelgefühl war schlimmer als alles andere. Beim ersten Mal war er zu schnell hochgefahren; nach dem Sturz pochte der Bluterguss in seinem Gesicht noch immer. Diesmal, dachte er, hatte er es langsam genug bewerkstelligt. Aber falsch, du Schwachkopf. Fred ließ sich wieder auf die Knie sinken. Das war sicherer. Er hielt den Kopf nach rechts gedreht; aus diesem Winkel sah man immer nach rechts! Eine Hand auf dem Rand, um sich abzustützen. Mit der anderen tauchte er die Colaflasche aus Plastik in das Becken. Das Wasser war nur ein paar Grad kälter, aber das reichte aus, ihn wieder voll zu Bewusstsein zu bringen. Ich muss mehr trinken, nicht nur wegen der Dehydrierung, sondern auch, damit ich nicht wegdöse.
    Vier Schlucke. Er wollte es nicht übertreiben. Die Leitungen funktionierten noch. Vorerst. Aber lieber haushalten. Lieber schlau sein. Sein Mund war trocken. Er versuchte zu gurgeln. Auch keine gute Idee. Aller Schmerz schlug auf einmal über ihm zusammen: die Risse in den Lippen, die Schwären am weichen Gaumen, die Infektionsbläschen an der Zungenspitze, die davon herrührten, dass er unachtsam
versucht hatte, letzte Essensreste aus den Zahnzwischenräumen zu pulen. Genützt hat es auch nichts.
    Fred schüttelte angewidert den Kopf. Er dachte nicht richtig nach. Er hatte die Augen offen gelassen, und da machte er den größten Fehler des Tages. Er schaute nach links. Und blickte in den großen Wandspiegel.
    Ein trauriger kleiner Schwächling blickte ihm entgegen. Blasse Haut, verfilztes Haar, blutunterlaufene, tief in den Höhlen liegende Augen. Er war nackt. Die Hausmeisteruniform passte ihm nicht mehr. Er lebte nur noch vom eigenen Körperfett.
    Loser. Keine Muskeln, nur Fett.
    Memme. Haarige, fleckige Haut, schlaffe Speckwülste.
    Jämmerlicher Scheißkerl!
    Hinter ihm, an der Wand gegenüber, befanden sich die anderen Spuren, die er hinterlassen hatte. Tag zwei, als er alle Versuche aufgab, das kleine, fünfundzwanzig mal fünfundzwanzig Zentimeter große Fenster mit Fingernägeln und Zähnen zu vergrößern. Tag vier, als er zum letzten Mal festen Stuhlgang gehabt hatte. Tag fünf, als er endlich aufhörte, um Hilfe zu rufen. Tag acht, als er versuchte, seinen Ledergürtel zu essen, weil er das einmal bei
Pilgern in einem Film gesehen hatte. Es war ein schöner, dicker Gürtel, ein Geburtstagsgeschenk von …
    Nein, nicht daran denken.
    Tag dreizehn, als Erbrechen und Durchfall aufhörten. Was zum Teufel war in dem Leder gewesen? Tag siebzehn, als er zu schwach wurde, um zu masturbieren. Und jeden Tag Schluchzen und Flehen, stumme Abmachungen mit Gott und winselnde Rufe nach …
    Nicht.
    Jeden Tag, der zu Ende ging, kauerte er in Embryonalhaltung, weil es nicht genügend Platz gab, sich zu strecken.
    DENK NICHT AN SIE!
    Aber natürlich dachte er an sie. Er dachte jeden Tag an sie. Er dachte jede Minute an sie. Er redete in seinen Träumen mit ihr und auch in dem Niemandsland zwischen Träumen und Realität.
    Es ging ihr gut. Es musste ihr gut gehen. Sie konnte auf sich aufpassen. Immerhin kümmerte sie sich noch um ihn, oder nicht? Darum wohnte er noch zu Hause. Er brauchte sie, nicht umgekehrt. Ihr ging es bestimmt gut. Natürlich ging es ihr gut.
    Er versuchte, nicht an sie zu denken, aber natürlich dachte er trotzdem andauernd an sie, und
natürlich folgten die anderen Gedanken immer auf dem Fuß.
    Versager! Hast nicht auf die Warnungen gehört! Bist nicht abgehauen, als es noch ging!
    Versager! Hast dich in diesem winzigen Zimmer einsperren lassen, nicht einmal im Badezimmer, nur in der winzigen Toilettenkabine, und trinkst aus dem verdammten Scheißhaus!
    Versager! Hast nicht einmal genügend Mumm aufgebracht, den Spiegel zu zerschlagen und das einzig Ehrbare zu tun! Und wenn sie jetzt
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