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Zitadelle des Wächters

Zitadelle des Wächters

Titel: Zitadelle des Wächters
Autoren: Thomas F. Monteleone
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sei­en in­ner­halb sei­ner Gren­zen ent­stan­den und hät­ten er­lernt, auf dem über­sä­ten Bo­den mit sei­nem Meer an Stäm­men zu ma­nö­vrie­ren und toll­kühn über die Wip­fel des rie­si­gen Wal­des zu lau­fen.
    Man sagt auch, Pin­dar und Eyck wer­den wahr­schein­lich nie zu ei­nem Frie­den mit­ein­an­der kom­men. Der An­spruch auf die „wirk­li­chen“ ei­ge­nen Gren­zen ist stets ei­ne höchst de­li­ka­te An­ge­le­gen­heit, be­son­ders bei sol­chen Staa­ten, de­ren Selbst­be­wußt­sein noch auf sehr wa­cke­li­gen Fü­ßen steht. Und in die­sem be­dau­erns­wer­ten Zu­stand be­fin­den sich Pin­dar und Eyck. Und ih­re Re­gie­rungs­sys­te­me sind nicht weit von dem ent­fernt, was man­cher ei­ne „Ope­ret­ten­dik­ta­tur“ nen­nen mag. Tat­säch­lich lau­tet ei­ner der sich am hart­nä­ckigs­ten hal­ten­den po­li­ti­schen Wit­ze in G’rdel­lia, ei­nem Nach­bar­staat der bei­den, der über et­was mehr Kul­tur ver­fügt, so: Wer re­giert Pin­dar ei­gent­lich in die­ser Wo­che?
    Und da die ein­zi­gen be­stän­di­gen Ex­port­ar­ti­kel die­ser bei­den Staa­ten rich­ti­ger­wei­se fol­gen­der­ma­ßen be­schrie­ben wer­den: Un­ru­he, Haß und Miß­trau­en, kann man die bei­den ge­trost igno­rie­ren, wenn man die Welt als Gan­zes ins Au­ge fas­sen will. Pin­dar und Eyck sind nicht mehr als die fuß­kran­ken Stief­kin­der ei­ner Welt, die sich nur mar­gi­nal in ei­nem bes­se­ren Zu­stand be­fin­det, sich aber trotz­dem lie­ber wei­gert, die­se Grund­wahr­heit an­zu­er­ken­nen.
    Es ist ei­ne Welt der un­ge­heu­ren Igno­ranz, der sich ga­lop­pie­rend aus­brei­ten­den Pest, der klein­li­chen Un­ge­rech­tig­keit, der un­ge­min­der­ten Ge­rüch­te, des frü­hen Tods und ei­ner be­deu­tungs­lo­sen Exis­tenz. Es ist ei­ne Welt, in der der Geist der Mensch­heit manch­mal bril­lant, manch­mal ver­ru­fen die trei­ben­de Kraft, der Brenn­stoff im Hoch­ofen der Zi­vi­li­sa­ti­on, ver­schwun­den ist. Die viel­leicht be­trüb­lichs­te Hin­ter­las­sen­schaft ist der Um­stand, daß die­ses Ver­schwin­den in ei­nem lang­sa­men und häß­li­chen Pro­zeß von­stat­ten geht. Der Geist ver­ließ die Welt nicht in der hoch­lo­dern­den Flam­me ei­nes glor­rei­chen Krie­ges, son­dern er kroch wäh­rend der lan­gen Nacht der Igno­ranz und Furcht von dan­nen. Der Pro­zeß ver­lief so lang­sam, so heim­lich, daß nie­mand – prak­tisch nie­mand – das Ver­schwin­den be­merk­te. Oder bes­ser: na­tür­lich erst, als es schon zu spät war.
    Aber man soll sich hü­ten zu sa­gen: Die Welt liegt im Ster­ben. Denn das ist ganz ge­wiß nicht der Fall. Prä­zi­ser aus­ge­drückt könn­te man viel­leicht be­mer­ken, die Welt über­lebt ih­rer Art zum Trotz und wird des­halb auch wei­ter­le­ben.
    Und in die­ser Welt ver­su­chen große Tei­le, un­ge­trüb­te Stücke und Stück­chen, der Kor­ro­si­on durch die Zeit zu ent­flie­hen. Zum Bei­spiel ist ein großer Teil von ei­ner lau­ni­schen Was­ser­mas­se be­deckt. Die ist so blau wie die Au­gen ei­nes vai­sa­ya­ni­schen Mäd­chens und ge­nau­so wild und un­be­re­chen­bar wie ih­re Mut­ter und so trü­ge­risch wie ihr Va­ter. Stür­me und Ru­he­pha­sen spa­zie­ren Hand in Hand über die schim­mern­de Was­sero­ber­flä­che. Sie ge­wäh­ren kei­nem Schiff und kei­nem Land­strich Schutz, und sie wol­len auch kein Quar­tier. Vor al­lem gibt es da ein end­lo­ses, mür­ri­sches Meer, das fälsch­li­cher­wei­se der Golf von Ari­dard ge­nannt wird. Ganz si­cher ist es kein Golf – es weist kei­nes­falls die nö­ti­ge Ru­he und Ge­las­sen­heit aus, die die­ser Be­griff ge­wöhn­lich as­so­zi­iert –, man muß es schon eher als klei­nen Ozean be­zeich­nen. Ganz si­cher aber führt er sich wie ein ge­häs­si­ges Fräu­lein ge­gen­über den Staa­ten auf, die sich wie Land­strei­cher an ei­nem großen Feu­er an den Küs­ten nie­der­ge­las­sen ha­ben. Der Golf von Ari­dard – Brenn­punkt der Welt.
    Ge­nau west­lich des Golfs liegt das Son­nen­lo­se Meer – so be­zeich­net we­gen des kal­ten Duns­tes und des Was­ser­ne­bels, die im­mer und ewig die Son­ne am fer­nen Ho­ri­zont ver­de­cken. Das Son­nen­lo­se Meer
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