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Ziel erfasst

Ziel erfasst

Titel: Ziel erfasst
Autoren: Tom Clancy
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Lebensunterhalt verdiente. Nun, musste Jack sr. denken, zumindest er wusste mehr oder weniger, was sein Sohn tat. Seine Frau wusste es … in gewissem Maße. Vor einigen Monaten hatten sich Vater und Sohn mit Cathy zusammengesetzt, um es ihr genau zu erklären. Sie wollten sie über Jack jr. s Aufgaben als Analyst und Agent eines »inoffiziellen« Spionagedienstes unterrichten, der von Senior selbst gegründet und vom früheren Senator Gerry Hendley geleitet wurde. Das Gespräch hatte gut begonnen. Aber der gestrenge Blick von Dr. Cathy Ryan brachte die beiden Männer bald so aus dem Konzept, dass sie nur noch etwas von geheimen nachrichtendienstlichen Analysen stammelten. Es klang jetzt, als ob Jack jr. seine Tage an einem Schreibtisch verbrächte und Computerdateien auf der Suche nach verbrecherischen Finanzhaien und Geldwäschern überprüfte, eine Arbeit, deren einzige Gefahr Papierschnittwunden und das Karpaltunnelsyndrom waren.
    Wenn es nur so wäre, dachte Jack sr. , als eine neue Welle von Magensäure in seiner Speiseröhre brannte.
    Nein, dieses Gespräch mit seiner Frau war nicht allzu gut verlaufen, musste Jack sr. hinterher zugeben. Seitdem hatte er das Thema noch einige Male anzuschneiden versucht. Er hoffte, er hatte Cathy eine Ahnung davon vermitteln können, dass ihr Sohn an echten Geheimdienstoperationen teilnahm. Tatsächlich hatte es jedoch auch jetzt eher so geklungen, als ob Ryan jr. gelegentlich in europäische Hauptstädte reiste, dort mit Politikern und hohen Beamten dinierte und danach auf seinem Laptop Berichte über ihre Unterredungen verfasste, während er teuren Burgunder schlürfte und CNN schaute.
    Was soll’s, dachte Jack. Was sie nicht weiß, macht sie nicht heiß. Und wenn sie es doch wissen sollte? Gott bewahre! Solange Kyle und Katie noch daheim waren, hatte sie genug um die Ohren, ohne sich auch noch um ihren sechsundzwanzigjährigen Sohn Sorgen machen zu müssen, oder?
    Jack sr. beschloss, dass es seine und nicht Cathys Bürde sein würde, sich um Jack jr.s Beruf Sorgen zu machen, eine Belastung, die er aber für den Moment abschütteln musste.
    Jetzt galt es erst einmal, die Wahl zu gewinnen.
    Ryans Stimmung besserte sich etwas. Was seinen Wahlkampf betraf, sahen die Dinge ziemlich gut aus. Laut der letzten Pew-Umfrage führte Ryan mit dreizehn Prozentpunkten, während Gallup ihn elf Punkte vor seinem Opponenten sah. Die größten Fernsehsender hatten ihre eigenen Umfragen veranstaltet. Bei allen drei war der Vorsprung etwas niedriger. Dies lag wahrscheinlich an irgendeiner Selektionsverzerrung, mit der sich sein Wahlkampfleiter Arnold van Damm und dessen Leute noch nicht näher befasst hatten, da Ryan so weit vorne lag.
    Jack wusste jedoch, dass das Rennen bei den Wahlmännern wie üblich viel enger war. Er und Arnie spürten beide, dass ein guter Auftritt während der nächsten Debatte dem restlichen Wahlkampf zumindest bis zur allerletzten Kandidatendiskussion neuen Schwung verleihen würde. Gewöhnlich wurden die Abstände zwischen den Kandidaten im letzten Monat enger. Die Meinungsforscher nannten das den Labor-Day-Effekt, da diese Annäherung der Umfragewerte gewöhnlich am Labor Day, also dem ersten Montag im September, begann und sich danach bis zum Wahltag fortsetzte, der in den USA immer der erste Dienstag im November war.
    Statistiker und Experten gaben für dieses Phänomen unterschiedliche Gründe an. Bekamen Wähler, die die Seiten gewechselt hatten, jetzt kalte Füße und kehrten zu ihrem ursprünglichen Kandidaten zurück? Gab es im Sommer noch mehr unabhängiges Denken als im Herbst, wo die Antworten auf die Meinungsumfragen ernstere Konsequenzen hatten? Traten, je näher der Wahltermin rückte, durch die Rund-um-die-Uhr-Berichterstattung über den Favoriten auch dessen Patzer und Ausrutscher deutlicher zutage?
    Ryan selbst teilte in dieser Frage die Ansichten Arnies. Tatsächlich gab es auf diesem Planeten nur wenige Menschen, die mehr über Wahlkämpfe wussten als Arnie van Damm. Für diesen war das Ganze eine einfache Angelegenheit der Mathematik. Für den vorne liegenden Kandidaten sprachen sich bei den Umfragen mehr Leute aus als für den zurückliegenden. Wenn also zehn Prozent der Wähler im letzten Monat der Kampagne ihre Meinung wechselten, verlor der Kandidat, der ursprünglich mehr Anhänger hatte, notwendigerweise auch mehr Wählerstimmen.
    Das war also ein simples mathematisches Phänomen, vermutete Ryan, und nichts sonst. Aber eine solch einfache
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