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Zerwüteter Pakt (German Edition)

Zerwüteter Pakt (German Edition)

Titel: Zerwüteter Pakt (German Edition)
Autoren: Daria Verner
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noch das Wort ergriff: »Bist du sauer, dass ich jemand anderes kennen gelernt habe?« Mit dieser Frage hatte Gloria nicht gerechnet. Sie hätte eher vermutet, dass ihr Vater sie anweisen würde, freundlicher auf Kamilla zuzugehen. Gloria schaute ihren Vater lange an. ‹Sauer› war wohl kaum das richtige Wort. Und trotzdem wirkte sie nicht sonderlich erfreut über die neue Situation.
    »Ich finde nur, dass du Mum plötzlich ganz schön schnell vergessen hast!« Herr Truhst schüttelte energisch den Kopf. »Ich habe sie nicht vergessen. Ich könnte sie niemals vergessen!« In der Stimme ihres Vaters klang wahre Traurigkeit nach. Sich mit seiner Tochter auszusprechen, lag ihm genauso am Herzen wie Gloria selbst. Herr Truhst legte die Hände auf den Tisch und fuhr fort: »Sie fehlt mir auch jetzt noch. Deine Mutter wird für mich immer unvergesslich bleiben. Sie hat genauso einen Platz in meinem Herzen wie du.«
    Gloria sah ihren Vater traurig an. »Und sie?« Damit meinte Gloria Kamilla und schaute fragend zu Herrn Truhst, der eine kurze Zeit innehielt. »Kurz nachdem du mit Kirt weggefahren bist, lernte ich Kamilla kennen. Wir haben uns gut verstanden und viel miteinander geredet. – Auch über deine Mutter. Es ist nicht so, dass Kamilla ihren Platz einnehmen will. Aber irgendwann haben wir gemerkt, dass wir uns sehr mögen.«
    Gloria dachte nach und nickte zögerlich, als ihr Vater mit ruhiger Stimme weitersprach: »Ich weiß, es ist erst zehn Monate her, dass sie gestorben ist. Aber… Seit ich Kamilla kennen gelernt habe, geht es mir… besser.« Herr Truhst quälte sich damit, sich nicht nur vor seiner Tochter zu rechtfertigen, sondern ganz offenbar auch vor sich selbst, so dass er schnell fortfuhr: »Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll. Du bist damals im Mai Hals über Kopf weggegangen und hast – so wie ich heute – einen neuen Anfang gesucht. Ohne dich war mein Leben durch dein Verschwinden… Ich weiß nicht… vollkommen sinnlos. Ich habe alles verloren: Erst deine Mutter, dann dich. Ich überlegte oft genug ernsthaft, warum ich überhaupt noch weiterleben sollte.«
    Gloria sah ihren Vater betroffen an. Noch nie hatte er derart offen über seine Gefühle gesprochen. Bestürzt blickte Gloria in die traurigen Augen ihres Vaters. Sie wagte es nicht, ihn zu unterbrechen und ließ ihm Zeit, sich zu sammeln. »Du warst weg, spurlos verschwunden… Und als du plötzlich vor der Haustür standst, konnte ich es anfangs gar nicht glauben.« Er machte erneut eine Pause. »Als du und Kirt gegangen seid, war ich glücklich, dass du für dich selbst einen neuen Weg gefunden hast, den Tod deiner Mutter zu verkraften. Aber es änderte nichts daran, dass ich den meinen einfach nicht finden konnte. Als ich Kamilla kennen lernte, waren viele Dinge plötzlich wieder… so einfach.«
    Herr Truhst sah nachdenklich über den Tisch. Sein Blick schien weit entfernt – in der Vergangenheit der letzten zwei Monate, von denen Gloria nichts wusste. »Ich hätte am Anfang nie daran gedacht, dass aus uns mal etwas werden könnte.« Er lächelte und zuckte zögerlich mit den Schultern. »Ich weiß es auch jetzt noch nicht ganz genau, aber… Ich mag sie, verstehst du?« Seine Augen fanden Glorias und schauten sie auf Verständnis hoffend an. »Kannst du mich ein bisschen verstehen?« Sie hatte ihn noch nie so gesehen. So offen, so verletzlich, so… verloren. Gloria nickte betrübt.
    Ihr Vater hatte genauso gelitten wie sie selbst auch. Vielleicht sogar noch mehr, denn ihm wurde nie die Chance eingeräumt, alles hinter sich zu lassen und neu anzufangen. Er hatte nicht nur unter dem Tod seiner Moni gelitten. – Zusätzlich schlimm musste es gewesen sein, als schlechter Vater dazustehen, dem die Tochter fortlief. Ihren Neuanfang und die Suche nach sich selbst hatte Gloria auf seinen Schultern ausgetragen. Das war nichts Neues und dennoch drängte es sich Gloria deutlicher denn je in ihr Bewusstsein. Und nun saß er vor ihr und bat um Verständnis, dass auch sein neues Glück Berechtigung finden durfte.
    Das Leid der vergangenen Monate stand tief in den Falten des Gesichtes vor ihr. Die Trauer und Bitternis hatten ihrem Vater viel Kraft gekostet; das sah man ihm an. Würde Gloria die neu gewonnene Quelle an Trost und Glück missbilligen, wäre das hochtrabend und arrogant von ihr! Immerhin hatte auch er Gloria vor gut drei Monaten verziehen, Hals über Kopf fortgelaufen zu sein. In diesem Gespräch änderte sich plötzlich das
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