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Zersetzt - Thriller (German Edition)

Zersetzt - Thriller (German Edition)

Titel: Zersetzt - Thriller (German Edition)
Autoren: Lena Sander
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oftmals nur die Unterlagen geprüft, die Prothese selbst aber gar nicht untersucht. Wie groß seitens der Prüfinstitute die Motivation ist, ein Prüfstück abzulehnen und das Siegel zu verweigern, versteht sich von selbst, zumal die Prüfstellen untereinander um Aufträge von den Herstellerfirmen konkurrieren.
    Im September 2012 erließ die EU eine Neuregelung für die Zulassung von Medizinprodukten. Darin wird festgelegt, dass die Zulassungsstellen die Produkte auf ihre Tauglichkeit hin überprüfen sollen (etwa, dass sie nicht rosten). Doch die Hersteller dürfen sich ihre Zulassungsstelle nach wie vor selbst aussuchen und bezahlen diese auch immer noch. Außerdem gibt es keine verbindlichen Prüfstandards.
     
    Das Problem besteht nicht nur bei Prothesen. Auf dem Markt waren auch mit Industriesilikon gefüllte Brustimplantate und fehlerhafte Messsysteme für Diabetiker. Das ist ein Anzeichen dafür, dass die Prüfvorgaben in der EU nicht ausreichen, um einen entsprechenden Standard zu gewährleisten. Experten richten im Wesentlichen drei Hauptforderungen an die Brüsseler Kommission:
    1. Eine Zentralisierung des Zertifizierungsprozesses und Unabhängigkeit der Prüfstelle. Derzeit gibt es über 80 Prüfstellen, die alle im wirtschaftlichen Wettbewerb miteinander stehen und von den Auftraggebern (den Herstellern) bezahlt werden.
    2. Klinische Studien als Voraussetzung zur Zulassung, wie es im Bereich Arzneimittel der Fall ist: Hersteller sollen erst beweisen müssen, dass ihr Produkt einen langfristigen Nutzen und keinen Schaden hat, ehe sie die Erlaubnis bekommen, das Produkt zu vertreiben.
    3. Transparenz: Daten sowohl über das Produkt als auch über die Prüfverfahren und -ergebnisse sollen verfügbar gemacht werden. Bisher werden die nämlich von den Prüfstellen unter Verschluss gehalten.
     
    Der letzte Skandal um die Brustimplantate hat den gesundheitspolitischen Ausschuss in Brüssel nur scheinbar in Bewegung gesetzt. Die Abgeordneten in Brüssel einigten sich auf einen Kompromiss, der viel zu kurz greift, und das auch erst ab 2015. Experten zweifeln allerdings, ob selbst diese harmlose Änderung in Kraft treten wird, denn sie ist vom Ministerrat noch nicht genehmigt. Im Wesentlichen sieht die Änderung vor, dass Produkte nicht nur vor ihrer Markteinführung, sondern auch später noch von den Prüfstellen unter die Lupe genommen werden sollen. Außerdem werden Zulassungsstellen für besonders riskante Produkte wie Herzschrittmacher künftig von der europäischen Arzneimittelbehörde EMA besonders streng kontrolliert. Das Augenmerk hierbei gilt allerdings nicht den Prüfunternehmen oder den medizinischen Produkten, sondern den einzelnen Kontrolleuren. Bei Beanstandungen der Kontrollabläufe kann eine Expertengruppe den Fall übernehmen und das Produkt erneut prüfen.
    Die Idee einer staatlichen Vorabzulassung und einer zentralen europäischen Zulassung für Risikoprodukte bei der EMA wurde abgelehnt. Erfreut darüber ist vor allem der Bundesverband Medizintechnologie, die Lobbyvereinigung der Hersteller von Medizinprodukten. Die Entscheidung ist ganz nach deren Geschmack.
     
    Experten kritisieren an den EU-Richtlinien vor allem folgende Punkte:
    1. Es wird nur geprüft, ob ein Implantat funktioniert, nicht, ob es tatsächlich nutzt oder ob es vielleicht sogar Schaden im Körper anrichten kann.
    2. Es fehlt ein Nachrichtensystem, das Ärzte vor schadhaften oder problematischen Medizinprodukten warnt. Im Bereich Arzneimittel gibt es so etwas: die sogenannten "Rote-Hand-Briefe". Im Bereich Prothesen kann ein Arzt, wenn der Patient Pech hat, im besten Wissen und Gewissen ein schadhaftes Produkt einbauen, weil er über Probleme oder Risiken einfach nicht informiert wurde.
    3. Medizinprodukte werden durch die EU-Neuerungen auch nicht besser kontrolliert als vorher. Nach wie vor ist keine staatliche Genehmigung erforderlich, um Prothesen oder Implantate auf den Markt zu bringen. Die von der EU geplante Einführung einer Medical Devices Coordination Group (MDCG) zur Überwachung der Zulassungsstellen wird nichts nützen, weil die MDCG nicht weisungsbefugt ist. Sie kann nur Kommentare abgeben, an die die Zulassungsstelle sich aber nicht halten muss - ein zahnloser Tiger.
    Vor und nach den EU-Neuerungen liegt die Verantwortung für die Qualität der Produkte allein beim Hersteller.
    Allgemeines Interesse an einer europaweiten, behördlich geregelten, unabhängigen Zulassungsstelle für Medizinprodukte besteht
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