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Zentauren-Fahrt

Zentauren-Fahrt

Titel: Zentauren-Fahrt
Autoren: Piers Anthony
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merkte, daß er sie völlig unbeabsic h tigt umarmte.
    Irene war schon immer ein gewitztes und altkluges Mädchen g e wesen. In den letzten Jahren hatte sich die Natur geradezu übe r stürzt, sie großzügig auszustatten, und jetzt, auf geringe Entfe r nung, war das auch nicht zu übersehen. Nun war sie eine grünä u gige, üppige Schönheit mit einem natürlichen Grünschimmer im Haar. Schlimmer noch war die Tatsache, daß sie sich dessen durchaus bewußt und ständig bemüht war, es zu ihrem eigenen Vorteil auszunutzen. Heute trug sie eine grüne Bluse und einen ebensolchen Rock, die ihre Figur betonten, während ihre grünen Pantoffeln ihre prächtigen Beine und Füße richtig zur Geltung brachten. Kurzum, sie hatte sich sorgfältig auf diese Begegnung vorbereitet und hatte offenbar keinerlei Absicht, ihn in Frieden seinen Aufsatz schreiben zu lassen.
    Sie atmete tief durch, blähte sich gegen ihn auf. »Ich schreie!« flüsterte sie ihm ins Ohr, um ihn zu necken.
    Aber Dor wußte ganz gut, wie man mit ihr umgehen mußte. »Und ich kitzle dich!« flüsterte er zurück.
    »Das ist unfair!« Denn sie konnte schlecht realistisch schreien, wenn sie gleichzeitig kichern mußte, und sie war überkitzlig, vie l leicht weil sie irgendwo einmal gehört hatte, daß Kitzligkeit Mä d chen anziehender machte.
    Mit flinker Hand versuchte Irene, das Blatt in ihrem Ausschnitt zu verstauen, denn sie wußte, daß er nicht so weit gehen würde, es von dort wieder zurückzuerobern. Doch er hatte auch mit diesem Trick seine Erfahrung und bekam ihr Handgelenk noch rechtzeitig zu packen. Endlich ergriff er das Blatt, und da er stärker war und sie es für undamenhaft hielt, sich allzu heftig zu wehren, ließ sie das Papier fahren. Ihr Image war ihr fast ebenso wichtig wie das Unheil, das sie anrichten konnte. Doch nun versuchte sie es mit einer neuen List. Sie umarmte ihn. »Ich küsse auch.«
    Doch selbst darauf war er bereits vorbereitet. Je nach ihrer wechselhaften Laune konnten aus ihren Küssen ohne jede Vo r warnung Bisse werden. Man durfte ihr nicht trauen, obwohl das enge Handgemenge durchaus seinen Appetit auf derartige A b wechslungen geweckt hatte. Sie hatte ihn schon mehr in der Hand, als ihr bewußt war. »Deine Mutter beobachtet uns.«
    Sofort ließ Irene ihn los. Sie ärgerte ihn zwar ständig, aber in Gegenwart ihrer Mutter benahm sie sich stets wie ein Unschuld s engel. Dor wußte zwar nicht genau, warum dem so war. Er hatte aber den Verdacht, daß der Wunsch der Königin, Irene einmal selbst als Königin zu sehen, etwas damit zu tun haben mußte. Ir e ne wollte ihrer Mutter ebensowenig einen Gefallen tun wie sonst jemandem, und wenn sie Dor übermäßiges Interesse entgege n brachte, könnte dies kompromittierend werden. Die Königin leh n te Dor ab, weil er ein vollrangiger Magier war und ihre Tochter nicht, aber sie würde es nicht so weit kommen lassen, daß er i r gend jemand anders Tochter zur Königin machte. Ironischerweise wollte Irene auch gerne Königin werden, aber um ihre Mutter zu ärgern, versuchte sie stets den Anschein zu erwecken, als sei Dor hinter ihr her, während sie ihm widerstand. Manchmal wurde di e ses zynische Spiel reichlich kompliziert.
    Dor wußte selbst nicht so recht, wie er zu all dem stand. Vor vier Jahren, als er zwölf gewesen war, war er auf ein außergewöhnliches Abenteuer in die Vergangenheit Xanths ausgezogen und hatte den Körper eines erwachsenen, muskulösen und äußerst gewandten Barbaren bewohnt. Dabei hatte er einiges über Männer und Fra u en gelernt. Da er bereits Gelegenheit gehabt hatte, mit den Waffen der Erwachsenen zu spielen, bevor er selbst erwachsen war, ahnte er, daß Irenes Spielchen vielleicht etwas riskanter waren, als sie selbst wußte. Also hielt er etwas auf Distanz und wehrte ihre A vancen ab, obwohl das nicht immer leicht war. Manchmal hatte er seltsame, böse Träume, in denen er auf den einen oder anderen ihrer Bluffs einging, doch es war gar kein richtiger Bluff, und dann löschte stets ein anonymer Zensor eine Szene von wachsender Faszination aus.
    »Blödmann!« rief Irene zornig, während sie auf das unbewegliche Gemälde an der Wand starrte. »Meine Mutter beobachtet uns doch gar nicht!«
    »Es hat dich aber hübsch abgelenkt, nicht?« fragte Dor selbstz u frieden. »Du möchtest immer gerne wie Millie das Gespenst sein, aber du hast nicht das Zeug dazu.« Das war gleich eine doppelte Beleidigung, denn Millie – die, schon bevor Dor geboren
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