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Zentauren-Fahrt

Zentauren-Fahrt

Titel: Zentauren-Fahrt
Autoren: Piers Anthony
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bald kam eine große Biene in einer karierten Pelzjacke herbeigeflogen, um die Pflanze zu bedienen. Sie summte von e i nem Buchstaben zum anderen und erntete jeden ab, um ihn in einen der kleinen Körbe an ihren sechs Beinen zu legen. Wenige Minuten später hatte sie alle Buchstaben abgepflückt und wollte davonfliegen.
    Doch Irene hatte Tür und Fenster zugesperrt. »Das war meine Buchstabenpflanze«, belehrte sie die Biene. »Du mußt die Buc h staben bezahlen.«
    »SSSSSSSSSSSS«, summte die Biene wütend, aber schließlich gab sie nach. Sie kannte die Regeln und war schon bald damit beschä f tigt, für Dor zu buchstabieren. Er brauchte nur ein Wort zu sagen, und die Biene legte die entsprechenden Buchstaben in richtiger Reihenfolge vor ihn hin. Es gab nichts, was eine Buchstabiene nicht buchstabieren konnte.
    »So, meine gute Tat für heute hätte ich erledigt«, meinte Irene. »Ich gehe nach draußen und werde etwas mit Zilch schwimmen. Laß die Biene raus, wenn du deinen Aufsatz fertig hast, und sag meiner Mutter bloß nicht, daß ich aufgehört habe, dir auf den W e cker zu gehen. Und melde dich bei mir, wenn du fertig bist.«
    »Warum soll ich mich bei dir melden?« wollte er wissen. »Du bist schließlich nicht meine Lehrerin!«
    »Weil ich sagen können muß, daß ich dir keine Ruhe gelassen habe, bis du deine dämlichen Hausaufgaben erledigt hast, Blö d mann!« sagte sie recht vernünftig. »Wenn du dich bei mir abgeme l det hast, haben wir beide für den Rest des Tages Ruhe. Kapiert, Knotenkopf?«
    Im Prinzip machte sie ihm damit ein Angebot: Sie würde ihn in Frieden lassen, wenn er sie dafür nicht verpetzte. Es war nur recht und billig, daß er einwilligte. »Alles klar, Grünnase«, sagte er n i ckend.
    »Und paß bloß auf die Biene auf«, warnte sie ihn, während sie aus der Tür schlüpfte. »Sie muß zwar jedes Wort richtig buchst a bieren, aber sie wird dir nicht sagen, wenn du ein falsches Wort benutzt.« Die Biene summte auf die Türöffnung zu, doch da hatte Irene die Tür auch schon hinter sich geschlossen.
    »Also gut, Buchstabiene«, sagte Dor. »Das hier macht mir gena u sowenig Spaß wie dir. Je schneller wir die Sache hinter uns bri n gen, um so schneller kommen wir beide wieder hier raus.«
    Die Biene war zwar alles andere als zufrieden, summte jedoch resigniert. Sie war es gewohnt, Regeln einzuhalten, denn es gab keine verzwickteren und sinnloseren Regeln als die der Rech t schreibung.
    Dor las seine ersten beiden Sätze laut vor. Er traute der Biene zwar nicht, wußte aber auch, daß sie unfähig war, ein Wort falsch zu buchstabieren, so gerne sie ihn vielleicht ärgern mochte.
    »Manche können Dinge herbeizaubern«, fuhr er langsam fort, »und andere können ein Loch entstehen lassen oder Illusionen hervorbringen oder sogar durch die Luft fliegen. Doch in Mund a nia betreibt niemand Magie, deshalb ist es dort auch sehr langwe i lig. Dort gibt es keine Drachen. Statt dessen gibt es Bären, Pferde und viele andere Ungeheuer.«
    Er hielt inne, um die Wörter zu zählen. Schon neunundsechzig! Nur noch acht Wörter – nein, mehr; seine Finger waren ja schon alle. Noch einundvierzig. Aber er hatte doch schon alles geschri e ben, was es über dieses Thema zu schreiben gab. Was jetzt?
    Na ja, vielleicht ein paar Einzelheiten. »Unser Herrscher ist der König Trent, der uns bereits seit siebzehn Jahren regiert. Der K ö nig Trent kann alle Leute in andere Wesen und in Tiere verwa n deln, wenn er nur will.« Das waren ja dreißig Wörter, das ergab also insgesamt – he, neunundneunzig! Er mußte sich beim ersten Mal verrechnet haben. Noch ein Wort, und er war fertig.
    Aber welches? Ihm fiel keins ein. Schließlich strengte er sich noch einmal an und rang sich einen weiteren ganzen Satz ab: »Hier wird niemand gejagt; wir leben alle in Frieden.« Aber das waren ja neun Wörter – acht mehr, als er brauchte. Es tat ihm richtig weh, derart Energie zu verschwenden!
    Seufz. Da konnte man nichts machen. Er würde die Wörter schon benutzen müssen, nun, da er sie sich abgequetscht hatte. Er schrieb die Wörter so ab, wie die Biene sie buchstabierte, wobei er sie sorgfältig und deutlich aussprach. Er war sicher, daß die Biene kein Gespür für Satzzusammenhänge besaß; die buchstabierte einfach jedes Wort für sich.
    In einem Anfall törichter Großzügigkeit feuerte er noch weitere fünf wertvolle Wörter ab: »Meine Geschichte ist zu Ende.« Jetzt umfaßte der Aufsatz einhundertdreizehn
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