Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeltplatz Drachenloch

Zeltplatz Drachenloch

Titel: Zeltplatz Drachenloch
Autoren: Othmar Franz Lang
Vom Netzwerk:
er Georg.
    »Es ist schon wieder gut«, antwortete der.
    Und jetzt wird er Georg fragen, wer ihn eingesperrt hat! Nein, der Neue fragte nicht.
    »Ich finde es nett, daß du dich nicht über die beklagst, die dich eingesperrt haben, aber...« Immerfroh zögerte.
    »Ich war...«, sagte Hans, der aufgestanden war, und er wollte fortsetzen, »auch dabei .«
    Immerfroh winkte aber ab.
    »Ich spreche jetzt mit ihm... wie heißt du denn...? Ach so... Georg...«, sagte er. Immerfroh lächelte. »Ich weiß von dir, daß du bestimmt nicht der warst, der die Tafel bepflastert hat .«
    Max zuckte zusammen. Er dachte, es ist am besten, ich stehe auf und sage, daß ich es war. Aber seine Füße waren schwer und wie abgestorben. Und die Arme hingen ihm herunter, als ob die Hände schwere Gewichte wären. Ekelhaft war das. Max fand keine Möglichkeit, ein Held zu sein.
    »Und trotzdem, siehst du, trotzdem freue ich mich, daß ich hier in diese Klasse gekommen bin .« Jetzt sprach Immerfroh nicht mehr mit Georg allein. Wenn man aber nachdachte, hatte er es vorhin ja auch nicht getan. »Ja, ich freue mich, daß ich hierhergekommen bin, in eine Klasse, die alles das hat, was eben eine Klasse haben muß. Ich glaube, daß wir einander verstehen werden .«
    Ja, das hatte Immerfroh für alle gesagt. Durch die Klasse ging ein Aufatmen. Für den Augenblick wenigstens war die Gefahr vorbei.
    Draußen läutete es. Die erste Stunde mit dem Neuen war vorüber.
    Immerfroh blieb noch eine Weile an seinem Tisch sitzen, als wäre er mit sich ganz allein. Nur seine Augen bewegten sich. Sein Blick ging die Bankreihen entlang von Gesicht zu Gesicht. Er lächelte. Dann stand er auf, nahm seine Mappe und das Klassenbuch und ging zur Tür, und draußen war er. Es war zwar Pause, aber in der Klasse blieb es still. Max fühlte sich nicht wohl. Die Stunde war zu aufregend für ihn gewesen.
    Langsam setzte eine kleine Wallfahrt zu Georg ein. Auch Hans stellte sich zu ihm.
    »Ich meine«, sagte Hans, »das mit dem Schrank, hm, ich weiß es, es war ein Blödsinn .«
    »Ja«, meinte Georg schüchtern, verbesserte sich aber gleich, »vielleicht, möglich, daß es ein Blödsinn war. Ich hätte ja auch ausgehalten. Aber die Luft war drinnen so stickig, und dann wurde mir schwarz vor den Augen. Das heißt, das sage ich nur so, weil mir ja von Anfang an schon schwarz vor den Augen war, weil nämlich die Tür zu war. Ja, schlecht wurde mir .«
    »Ich bin so erschrocken«, würgte Hans heraus, »und ich will’s auch nicht wieder tun. Und wenn dir einer noch was tut, dann, nun, ich will nichts mehr sagen. Erleben wird er aber was .«
    Als die Pause um war, kam Immerfroh mit einer Laute. »Ich habe mit dem Herrn Direktor gesprochen und ihm gesagt, daß ich gern mit euch singen möchte. So werden wir nämlich am besten gute Freunde. Der Herr Direktor hat mir sogar seine Laute geborgt .«
    Auch das war den Buben fremd. Sie sahen einander an, blickten dann zum Lehrer, der dastand und lächelte, versuchten auch, ein wenig den Mund zu verziehen, nur so, der Freundlichkeit wegen. Und plötzlich gab es das lustigste Gelächter, das je in der Sechsten erscholl. Und was das Allerlustigste an der Sache war, keiner wußte, warum er lachte. Es war nur befreiend, erlösend, nach dieser stillen ersten Stunde.
    »Was kennt ihr denn für Lieder ?« fragte Immerfroh. »Heideröslein«, »Am Brunnen vor dem Tore«, »Das Wandern ist des Müllers Lust«, so riefen sie durcheinander. »Dann schlage ich ein anderes Lied vor, und wenn ihr einverstanden seid, dann soll es das Lied sein, das uns gehört, der ganzen Klasse. Einverstanden?«
    Alle nickten. Auch ein Klassenlied hatte es bisher nicht gegeben.

    »Wir wollen zu Land ausfahren,
    über die Fluren weit
    aufwärts zu den klaren
    Gipfeln der Einsamkeit.«

    Immerfroh sagte es vor, die Klasse sprach es nach. Dann summte er ihnen die Melodie vor, beim zweitenmal summten sie schon mit. Und als Immerfroh das Zeichen gab, stimmten dreißig Buben das Wanderlied an. — Die Sechste hatte einen neuen Freund.
    Der Lehrer Florian Immerfroh hatte aber dreißig neue Freunde.

DAS ZWEITE KAPITEL

zeigt, daß die Buben der Sechsten
zwar einen gemeinsamen Lehrer,
aber sehr verschiedene Eltern haben.

    Ich muß es euch bestimmt nicht sagen, daß an diesem sonderbaren Tag die Unterrichtsstunden nur so verflogen. Einige, unter ihnen Hans, Georg und sogar Max, wären noch gern eine Stunde länger geblieben. Der Neue war die reine Wissenskiste. Sie konnten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher