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Zeitstop 1704

Zeitstop 1704

Titel: Zeitstop 1704
Autoren: A. E. van Vogt
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Pflicht als Schiffsarzt zu tun, doch er verstand davon nur, was er sich an Bord aus einem Buch, das er immer wieder studierte, angeeignet hatte, aber das war nicht viel. Was er wirklich konnte, war Wunden zu verbinden und zur Ader zu lassen, wenn er es für erforderlich hielt. Dann besaß er noch eine Klistierspritze, aber er hatte sie nie benutzt und beabsichtigte auch nicht, sie jetzt anzuwenden. Was er tat, war, sein Taschentuch mit Spucke zu benetzen und damit den vier Männern die schmutzige Stirn abzuwischen.
    Nachdem er sich derart ihrer angenommen hatte, wollte er gehen, doch er stellte fest, daß mehrere seiner bulligen Piraten sich an die Tür gedrängt hatten. »Sie geben Ihnen die Schuld!« hatte Shradd gesagt. Er zögerte. Da hatte er plötzlich das unheimliche Gefühl, daß er beobachtet wurde – doch nicht von Menschenaugen! Von dem Licht an den Köpfen der vieren, dachte er unwillkürlich, ohne sich erklären zu können, wieso. Und im gleichen Augenblick spürte er den gemeinsamen Gedanken der vier, den sie auf ihn übertrugen:
    Keine Angst, Käpten, sie tun Ihnen jetzt nichts. Sie sollten das Schiff in London verlassen, wie Sie es vorgehabt haben, und das Blutgeld für das Mädchen kassieren. Damit haben Sie es geschafft. Und machen Sie sich keine Gedanken um uns. In einer Stunde wachen wir auf …
    Neben Fletcher sagte eine rauhe Stimme: »Lassen Sie sie doch einfach schlafen, Käpten.«
    Fletcher staunte selbst über seine Antwort: »In einer Stunde wachen sie auf, dann sind sie wieder in Ordnung«, sagte er. Aber was war, wenn es nicht so kam? Was würde die Mannschaft dann mit ihm machen? Es konnte bedeuten, daß er vielleicht nur noch sechzig Minuten der Sicherheit hatte.

 
10.
     
    Der Morgen schleppte sich dahin. Die Minuten vergingen. Niemand tat etwas, niemand stellte Fragen. Was Fletcher während dieser Minuten beunruhigte, war die vage Erinnerung, all das schon einmal durchgemacht zu haben, doch ohne die Lantellaner und ohne Billy. Gewesen oder nicht gewesen zu sein, das war die Frage … Die etwas abgewandelten Worte Shakespeares heiterten ihn erstaunlicherweise ein wenig auf. Und natürlich war es unmöglich. Aber trotzdem war es die lebendigste Vision, die er je gehabt hatte. Noch einmal gestattete er sich diese ungewöhnliche Erinnerung. Nichts fehlte. Die junge Frau, die wir über Bord warfen. Sie war ertrunken. Ich fuhr nach England und holte mir das Geld, das man mir versprochen hatte, und dann verbrachte ich den Rest meines Lebens in Italien.
    Welch unvorstellbare Phantasie! Schließlich war er erst dreißig, und der größte Teil seiner Zukunft lag, hoffentlich, noch vor ihm. Er schüttelte den Kopf.
    Jemand räusperte sich hinter ihm. »Uh, Käpten.«
    Fletcher drehte sich um und stand auf. Vier grinsende Männer standen am Niedergang. Die Burschen, die noch vor einer Stunde bewußtlos auf ihren Kojen gelegen hatten. Vor einer Stunde!
    »Zu Ihren Diensten, Käpten«, sagte Will Spire, einer von ihnen, bedeutungsvoll. »Wir alle vier, Sir.«
    »Ich dachte, ihr seid Shradds Männer«, brummte Fletcher.
    »Mr. Shradd, Sir, hat unseren Respekt. Aber er ist dieser Lage nicht gewachsen, Käpten.«
    »Und ihr glaubt, ihr seid es?«
    Diesmal antwortete Dib Clutterbuck, der normalerweise nicht einmal das Brett vor seinem Hirn sah. »Käpten, es war falsch, was wir getan haben. Nicht alles, natürlich. Aber in dieser Zeit Pirat zu sein, ist nichts weiter, als an einem verdammt schmutzigen Spiel mitzumachen. Doch wenn man’s recht überlegt, gibt es Besseres als Morden und Plündern.«
    Fletcher konnte es einfach nicht glauben. Dieser Wandel war zweifellos den Lichtstrahlen zuzuschreiben. Aber änderte es etwas an der Welt als solcher? Es ist immer noch die gleiche, in der man mir Vermögen und Ländereien konfiszierte, und wo man uns, wenn wir uns erwischen ließen, an der nächsten Rahe aufhängen würde.
    Aber irgendwie empfand er neue Hoffnung, nicht für sich allein, sondern für die ganze Welt. Da schrillte plötzlich ein Schrei unmittelbar vor ihm, der ihn so erschreckte, daß er stolperte und fast gefallen wäre. Halb geduckt blieb er stehen und starrte.
    Im Südwesten erhob sich ein Wasserwall – zehn – dreißig – sechzig Meter hoch. Natürlich hielt er ihn für eine Flutwelle. Zwar hatte er noch nie eine gesehen, sehr wohl aber davon gehört. Hastig befahl er eine sofortige Kursänderung, und gerade noch rechtzeitig. Der gewaltige Wasserwall brauste kaum eine Meile von
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