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Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe
Autoren: Stephen Baxter
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von Mitleid – oder vielleicht auch Verlegenheit – angesichts seines desolaten Zustandes: war das wirklich ich gewesen, fragte ich mich – hatte ich mich meinen Freunden in einem solchen Aufzug präsentiert, nach meiner Rückkehr von diesem ersten Abenteuer?
    Erneut spürte ich den Impuls, Hilfe zu leisten; aber ich wußte, daß kein Beistand erforderlich war. Mein früheres Ich würde den ganzen Tag schlafen und sich so von dieser Erschöpfung erholen. Und wenn dann der Abend nahte, würde er zur
    Weißen Sphinx zurückkehren, um die Zeitmaschine wieder in seinen Besitz zu
    bringen.
    Dann – nach einer letzten Auseinandersetzung mit den Morlocks – würde er verschwinden, in einem Wirbel zeitlosen Wallens.
    Also blieb ich bei Weena, bis die Sonne ihren Aufstieg über den Himmel begann.

EPILOG
    Die ersten Tage waren die schlimmsten, denn ich war hier ganz ohne Werkzeug
    angekommen.
    Anfangs mußte ich bei den Eloi leben. Ich labte mich an den Früchten, die ihnen von den Morlocks bereitgestellt wurden, und ich teilte mit ihnen die teilrestaurier-ten Ruinen, die sie als Schlafstätten nutzten.
    Als Neumond war und die nächste Phase der Dunklen Nächte eintrat, wurde ich
    von der Dreistigkeit überrascht, mit der die Morlocks aus ihren Kavernen hervor-krochen und ihr menschliches Vieh angriffen! Mit Eisenstücken und Steinen bewaffnet bezog ich Posten am Eingang eines Schlafhauses, und auf diese Art konnte ich kämpfen; aber ich konnte sie nicht alle abwehren – die Morlocks schwärmen wie Ungeziefer aus, anstatt wie die Menschen auf organisierte Art zu kämpfen –
    und außerdem konnte ich nur ein Schlafhaus von hunderten verteidigen, die im Themsetal verstreut waren.
    Diese dunklen Stunden der Angst und des unbeschreiblichen Elends für die
    schutzlosen Eloi gehören zu den düstersten meiner Erinnerung. Und doch, mit dem Anbruch des nächsten Tages, verschwand diese Bedrückung wieder von den kleinen Seelen der Eloi, und sie spielten und lachten wieder so unbeschwert, als ob die Morlocks überhaupt nicht existierten.
    Ich war entschlossen, diesen Vorgängen ein Ende zu bereiten: denn das war –
    neben Weenas Errettung – schließlich die Motivation für meine Rückkehr in diese Welt gewesen.
    Ich führte weitere Erkundungen der Umgebung durch. Ich muß wohl ein schönes
    Bild abgegeben haben, wie ich die Hügel erklomm, mit meinem wilden Vollbart, dem sonnenverbrannten Kopf und meinem in bunter Eloi-Kleidung steckenden, kräftigen Körper! Es gibt natürlich keine Transportmittel und auch keine Tragtiere, die mich befördern könnten, nur die Überreste der Stiefel aus dem Jahre 1944, von denen die Füße geschützt werden. Aber ich war bis Hounslow und Stai-nes im Westen, Barnet im Norden sowie Epsom und Leatherhead im Süden gekommen; und im Osten bin ich dem neuen Verlauf der Themse bis Woolwich gefolgt.
    Überall hat sich mir der gleiche uniforme Anblick geboten: die grüne Landschaft mit den verstreuten Ruinen, die Hallen und Häuser der Eloi – und alles mit den gräßlichen Schächten der Morlocks durchsetzt. Es kann sein, daß sich in Frankreich oder Schottland ein ganz anderes Bild bietet! – aber ich glaube es eigentlich nicht. Das ganze Land und noch mehr ist von den Morlocks und ihren unterirdischen Kavernen verseucht.
    Also mußte ich meinen ersten, vagen Plan aufgeben, der vorgesehen hatte, die Eloi aus dem Aktionsradius der Morlocks zu evakuieren: denn die Eloi können
    nicht ohne die Morlocks existieren – und auch nicht umgekehrt, denn die Abhängigkeit der Morlocks von den Eloi wirkt sich, auch wenn sie in meinen Augen
    nicht so degoutant ist, doch gravierend auf die seelische Verfassung dieser
    nachtaktiven Untermenschen aus.
    Unter der Hand begann ich nach anderen Lebensmöglichkeiten zu suchen.
    Ich beschloß, einen dauerhaften Wohnsitz im Grünen Porzellanpalast zu beziehen. Mit diesem Gedanken hatte ich mich auch schon bei meinem letzten Besuch hier getragen, denn ungeachtet der Anzeichen von Morlockaktivitäten in der Umgebung hatte sich mir dieses alte Museum mit seinen großen Hallen und starken Mauern als Stützpunkt angeboten, der sich ideal gegen die hinterhältigen und ge-wandten Angriffe der Morlocks verteidigen ließ. Und ich hegte die Hoffnung, daß mir viele der hier eingelagerten Artefakte und Relikte bei meinen zukünftigen Aktionen hilfreich sein konnten. Zudem hatte irgend etwas an diesem verfallenen Monument des Geistes, mit seinen zurückgelassenen Fossilien und
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