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Zeitschaft: Meisterwerke der SF (German Edition)

Zeitschaft: Meisterwerke der SF (German Edition)

Titel: Zeitschaft: Meisterwerke der SF (German Edition)
Autoren: Gregory Benford
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eineiiger Zwilling tauchen kurz im La-Jolla-Teil des Romans auf, und er gestand ein, sich zu einem erheblichen Teil mit Gregory Markham zu identifizieren.
    Benfords Porträt von Markham, wie er im Flugzeug mit Cathy Wickhams Gleichungen Zeitparadoxa löst, ist eine erstaunlich fesselnde Darstellung des Physiktheoretikers bei seiner Arbeit. Indem sie das Klischee vom mechanischen Hantieren mit Zahlen und Formeln durchbricht, kommt Markhams Mathematik einer Form von Kunst nahe (Kapitel 31): »Es kam auf mehr als ständiges Kurbeldrehen an … Neben den logischen Normen standen ästhetische Fragen … Es gab keine Wahl zwischen Schönheit und Wahrheit. Man musste beide einbeziehen.«
    Offensichtlich fehlen den meisten Schriftstellern die Erfahrung und die Sichtweise, die nötig sind, um einen überzeugenden wissenschaftlichen Roman zu verfassen. Ebenso wahr ist, dass den meisten Wissenschaftlern die Erfahrung und die Sichtweise fehlen, um einen Roman zu schreiben, der literarischen Wert hat. »Zeitschaft« ist jedoch nicht nur wegen der Wissenschaft darin, sondern auch wegen der literarischen Figuren, der Form und der Bilder von Interesse. Marjories Erfahrungen mit ihrer niedergehenden Gesellschaft lässt uns die Auswirkungen der Umweltkrise als real empfinden. Die problematische Beziehung von Gordon und Penny lässt uns die unterschiedlichen Wirklichkeiten eines New Yorker Juden und einer kalifornischen Nichtjüdin spüren. Die Romankapitel wechseln von Handlungsstrang zu Handlungsstrang, halten die Spannung zwischen Vergangenheit und Zukunft aufrecht und verstärken unser Bewusstsein für scheinbar getrennte Wirklichkeiten, zwischen denen es doch feine Beziehungen gibt. Die literarischen Elemente, die schon an sich zu befriedigen vermögen, unterstützen zudem auf vielerlei Art für die wissenschaftlichen Konzepte, die sich anzueignen der Leser eingeladen ist.
    Benfords Konzept von der Zeit als einer Landschaft statt als Fluss und der damit verbundene Angriff auf unsere Überzeugung, dass die Ursache der Folge vorangeht, sind in der Science Fiction nicht neu, wo Zeitreisen und Zeitparadoxa keine Seltenheit sind – doch Benford benutzt die Absonderlichkeiten der Zeit nicht einfach als Hilfsmittel für seine Geschichte. Vielmehr fordert in »Zeitschaft« die theoretische Physik unsere »urwüchsig menschliche Sichtweise« der Zeit heraus. Statt nur ein zeitweiliges Aussetzen des Unglaubens zu arrangieren, überredet Benford den Leser, sich auf das neue Paradigma der gegenwärtigen physikalischen Theorie einzulassen. Er geht sogar über die anerkannte Theorie hinaus, als er das Paradox aufzulösen versucht, das auftritt, wenn die Zukunft die Vergangenheit auf eine Weise verändert, die eigentlich verhindert, dass der ursprüngliche Veränderungsimpuls aus der Zukunft die Vergangenheit erreicht. Seine Lösung verwendet ein Alternativuniversum, eine Weltlinie, in der John F. Kennedy die Schüsse von Dallas 1963 überlebt. Diese unterschiedliche Wirklichkeit zweigt von derjenigen ab, die die Leser mit den Romanfiguren von 1998 teilen, und verläuft in eine andere Zukunft – eine Weltlinie, in der es ein 1974 gibt, das weder zu den Lesern noch zu den Figuren von 1998 gehört. Diese Welt wird die Umweltkatastrophe vermeiden, der Greg Markham in der Weltlinie zum Opfer fällt, welche vom gemeinsamen Jahr 1962 zum 1998 des vorletzten Kapitels führt.
    Mit einem Verweis auf die menschliche Erfahrung könnten die meisten Leser derart radikale Herausforderungen an unsere traditionellen Vorstellungen verwerfen, wie es vielfache Universen und eine Zeitschaft darstellen, in der »vorher« und »nachher« keine Bedeutung haben. Neue wissenschaftliche Theorien werden nur von einem kleinen Prozentsatz von Menschen erfasst, und selbst diese wenigen werden nur auf intellektueller Ebene verändert. Benford erleichtert dem Leser den Zugang zu einem neuen Paradigma, indem er Parallelen zwischen den psychologischen Wahrheiten über vielfache und unbestimmte Wirklichkeiten, die wir recht bereitwillig akzeptieren, und der neuen Physik zieht, die so radikal fremdartig zu sein scheint. »Zeitschaft« setzt wirksam Ideen über ferne Universen subatomaren und kosmischen Maßstabs in Beziehung zu dem vertrauten Maßstab menschlicher Erfahrung, innerhalb dessen sich unsere Intuition entwickelt. Die auf menschliche Probleme konzentrierten Handlungslinien erkunden relative, sich ändernde, sich verschiebende Wirklichkeiten auf eine Weise, die den
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