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Zeitreisende sterben nie

Zeitreisende sterben nie

Titel: Zeitreisende sterben nie
Autoren: Jack McDevitt
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sicheren Wissen verlassen, dass er nie mehr sein würde als jemand, der die Entdeckungen anderer würde erhärten können.
    Sein Problem mit der Physik war, dass er nie so recht imstande gewesen war, sich ein Bild von der Realität zu machen, nie verstanden hatte, inwiefern der Raum aus Gummi bestand. Oder dass er langsamer alterte, wenn er siebzig fuhr, als wenn er seinen Motor im Stand warm laufen ließ. Er wusste, dass all das wahr war, wenn auch etwas überzogen, aber er konnte die Dinge nicht sehen.
    Shels Mutter war bei einem Autounfall gestorben, als er gerade vier gewesen war. Er hatte den Unfall miterlebt, war aber ohne einen Kratzer davongekommen. Sie hatte ihn auf seinem Kindersitz angeschnallt, aber versäumt, den eigenen Sicherheitsgurt anzulegen. Er erinnerte sich lebhaft daran, wie er in den Gurt gepresst worden war, an das Kreischen des aus der Form geratenen Metalls und die verzweifelten Schreie seiner Mutter.
    Sein Vater hatte nie wieder geheiratet. »Sie ist unersetzlich«, hatte er seinen Söhnen erklärt, die eine Weile gefürchtet hatten, eine fremde Frau könne in ihr Haus einziehen.

    Dann, an einem Tag im Oktober 2018, als beide Söhne ihrer eigenen Wege gingen, Jerry in einer Anwaltskanzlei und Shel in der Public-Relations-Abteilung von Carbolite Systems, spazierte Michael aus der Welt hinaus.
    Der erste Hinweis darauf, dass etwas Ungewöhnliches im Gang war, erfolgte in Form eines spätabendlichen Telefonanrufs. Es war sein Vater, der mehrere Wochen als Berater in einer Regierungsangelegenheit verreist gewesen war. »Adrian«, sagte er. »Ich wollte dir nur sagen, dass ich zu Hause bin.«
    Shel war überrascht. »Ich wusste nicht, dass du kommst.«
    »Ich bis vor Kurzem auch nicht. Hör mal, ich habe eine Nachricht für Jerry hinterlassen. Was hältst du davon, wenn wir morgen gemeinsam zu Mittag essen? Hast du Zeit?«
    Da war etwas in seiner Stimme. »Dad, ist bei dir alles in Ordnung?«
    » Sicher, alles bestens.«
    »Okay«, sagte er. »Freut mich zu hören. Wo möchtest du denn essen?«
    » Wie wäre es mit diesem Italiener «
    » Servio 's?«
    »Ja, vielleicht gegen elf Uhr dreißig, dann ist es noch nicht so voll.«
    »Das ist gut.« Shel hatte sich die Phil Castle Show angesehen. Sie zeigten ein Interview mit jemandem, der versuchte, einen neuen Film zu verkaufen. Er hatte gerade abschalten wollen, als das Telefon klingelte. Nun holte er es nach. »Bleibst du jetzt, oder musst du wieder los?«
    »Ich werde mir ein paar Tage freinehmen. Dann gehe ich zurück zu Swifton.«
    »Schön zu hören. Wir haben dich vermisst.«
    »Ich habe euch auch vermisst, Shel.«
    »Und ich freue mich darauf, dich morgen endlich wiederzusehen.«
    Von einer vagen äußerlichen Ähnlichkeit abgesehen, hätten Jerry Shelborne und sein Bruder nicht unterschiedlicher sein können. Jerry war mehrere Zoll größer als Shel und hatte sich jahrelang einen Spaß daraus gemacht, seinen Bruder als »die andere Hälfte des Komikerteams« vorzustellen. Jerry war gepflegt und gut in Form. Er war einer dieser Typen, die sich Tag für Tag in ihrem Fitnessclub verausgabten.
    Die Kluft, die sich zwischen ihnen aufgetan hatte, beruhte in Jerrys Augen darauf, dass Shel sich durch das Leben schwindelte. Dass er sich den Wünschen seines Vaters gefügt hatte, statt seiner eigenen Muse - das war tatsächlich der Begriff, den er benutzt hatte - zu folgen, und dass Shel folglich den Rest seines Lebens Elektronikgeräte verhökern würde, es sei denn, er kriegte doch noch irgendwann die Kurve. Bedauerlicherweise steckte durchaus ein Körnchen Wahrheit in diesen Vorwürfen. Und das machte sie, logischerweise, noch schmerzhafter.
    Jerry sah in seiner eigenen Karriere eine Möglichkeit, »einen Fußabdruck zu hinterlassen«. Seine Argumentation lautete, dass er jene schützte, die er »die kleinen Leute« nannte. »Die Großunternehmen schröpfen uns alle«, so erklärte er gern potenziellen Klienten, »solange wir nicht bereit sind zurückzuschlagen.« Und, um dem Mann gegenüber gerecht zu sein, er schien üblicherweise auf der richtigen Seite seiner Fälle zu kämpfen, auch wenn er offenkundig einen beträchtlichen Teil des Geldes, das im Gerichtssaal den Besitzer wechselte, in die eigene Tasche steckte.
    Sie warteten bei Servio's, einem gehobenen italienischen Restaurant nahe der City Avenue, auf ihren Vater. »Letzte Woche hatte ich einen Fall«, sagte Jerry gerade, als Shel auf seine Uhr sah und ihm ins Wort fiel.
    »Er ist schon
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