Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeitlose Zeit

Zeitlose Zeit

Titel: Zeitlose Zeit
Autoren: Philip K. Dick
Vom Netzwerk:
acht Uhr morgens, wenn die Zeitung auf die Veranda geworfen wurde, bis neun oder zehn Uhr abends. Das ständige Recherchieren. Die Verfeinerung der Methoden. Und vor allem die ständige Angst, einen Fehler zu machen. Eine unrichtige Lösung abzugeben und disqualifiziert zu werden.
Früher oder später mußte es so kommen, das wußten sie beide.
»Soll ich dir Kaffee bringen?« sagte Margo. »Ich mach’ dir ein Brot, bevor ich gehe. Ich weiß, du hast mittags nichts gegessen.«
Er nickte geistesabwesend.
Sie legte Mantel und Handtasche hin, ging in die Küche und suchte im Kühlschrank nach etwas, das sie ihm geben konnte. Während sie die Teller auf den Tisch stellte, wurde die Hintertür aufgerissen, und Sammy und ein Hund aus der Nachbarschaft tauchten auf, beide zerzaust und außer Atem.
»Du hast die Kühlschranktür gehört«, sagte sie, »nicht wahr?«
»Ich habe einen Riesenhunger«, keuchte Sammy. »Kann ich eine von den kalten Frikadellen haben? Du brauchst sie nicht zu braten, ich ess’ sie so. Das ist besser – es hält länger vor.«
»Du setzt dich ins Auto«, sagte sie. »Wenn ich Onkel Ragle ein belegtes Brot gemacht habe, fahren wir zum Supermarkt und holen Papa ab. Und bring den alten Hund hinaus; er wohnt nicht hier.«
»Okay«, sagte Sammy. »Im Laden krieg’ ich bestimmt was zu essen.« Die Hintertür fiel krachend zu, als er mit dem Hund hinausrannte.
»Ich hab’ ihn also gefunden«, sagte sie zu Ragle, als sie das belegte Brot und ein Glas Apfelmost brachte. »Du brauchst dir keine Sorgen um ihn zu machen. Ich nehme ihn mit in die Stadt.«
Ragle griff nach dem Brot und sagte: »Weißt du, vielleicht wäre es besser gewesen, wenn ich mich auf Pferdewetten verlegt hätte.«
Sie lachte.
»Du hättest nichts gewonnen.«
»Vielleicht.« Er begann zerstreut zu essen. Aber den Apfelmost rührte er nicht an; er bevorzugte das warme Bier in der Dose, die schon seit einer Stunde vor ihm stand. Wie kann er die komplizierten Berechnungen anstellen und warmes Bier trinken? fragte sie sich, als sie nach Mantel und Handtasche griff und zum Wagen hinauslief. Man möchte meinen, daß es ihn einschläfert. Aber er ist daran gewöhnt. Während seiner Militärzeit hat er sich angewöhnt, tagaus, tagein warmes Bier zu trinken. Zwei Jahre lang waren er und ein Kamerad auf einem winzigen Atoll im Pazifik stationiert gewesen, verantwortlich für eine Wetterstation mit Sender.
Der Spätnachmittagsverkehr war stark wie immer. Aber der Volkswagen schlängelte sich durch die Lücken, und sie kam gut voran. Größere, plumpere Autos schienen steckenzubleiben wie gestrandete Schildkröten.
Die klügste Geldausgabe, zu der wir uns je entschlossen haben, dachte sie. Einen kleinen ausländischen Wagen zu kaufen. Und er hält ewig; diese Deutschen bauen ja mit solcher Präzision. Nur mit der Kupplung gab es ein bißchen Schwierigkeiten, das aber erst nach fünfzehntausend Meilen ... nun ja, nichts war vollkommen, auf der ganzen Welt nicht. Ganz gewiß nicht in diesen Zeiten, mit H-Bomben und Rußland und steigenden Preisen.
Sammy, der die Nase an das Fenster preßte, sagte: »Warum können wir nicht so einen Mercedes haben? Warum müssen wir einen schäbigen kleinen Wagen haben, der aussieht wie ein Käfer?«
Zutiefst empört – ihr Sohn ein Verräter direkt an ihrem Busen – sagte sie: »Hör zu, junger Mann, von Autos verstehst du überhaupt nichts. Du brauchst die Zahlungen nicht zu leisten, nicht in diesem Verkehr zu fahren und es nicht zu pflegen. Also behalt deine Meinung für dich.«
»Wie ein Kinderauto«, sagte Sammy mürrisch.
»Sag das mal deinem Vater«, erklärte sie, »wenn wir da sind.«
»Trau’ ich mich nicht«, sagte Sammy.
Sie bog links ab, ohne zu blinken, und ein Bus hupte sie an.
Verdammte Riesenbusse, dachte sie. Vor ihr lag die Einfahrt zum Kundenparkplatz, sie schaltete auf den zweiten Gang herunter und fuhr über den Gehsteig, vorbei an der großen Neonschrift ›Lucky Penny Supermarkt‹.
»Da sind wir«, sagte sie zu Sammy, »hoffentlich haben wir ihn nicht verpaßt.«
»Gehen wir rein«, rief Sammy.
»Nein«, sagte sie. »Wir warten hier.«
Sie warteten. Im Geschäft fertigten die Kassiererinnen eine lange Reihe von Personen ab, von denen die meisten Einkaufswagen vor sich herschoben. Die automatischen Türen flogen auf und zu, auf und zu. Auf dem Parkplatz sprangen Motoren an.
Eine wunderschöne, glänzende, rote Tucker-Limousine rollte majestätisch an ihnen vorbei. Sie sahen ihr beide
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher