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Zeitlabyrinth

Zeitlabyrinth

Titel: Zeitlabyrinth
Autoren: Keith Laumer
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achtete darauf, daß die Sonne immer links von ihm war. Dann wurde der Boden holprig, und er ging langsamer. Sorgfältig beobachtete er den Weg.
    Er erkletterte einen niedrigen Grat, schirmte die Augen ab und betrachtete prüfend die Strecke, die vor ihm lag. Er sah die Schlucht nicht, obwohl sie ganz in der Nähe sein mußte. Aber …
    Roger schloß die Augen, ließ sie eine Weile geschlossen und öffnete sie wieder. Was er sah, war unverkennbar. Hundert Meter vor ihm, mitten im Weg, lag der Gesteinsbrocken, von dessen Höhe aus er die Schlucht entdeckt hatte.
     
2
     
    Viermal hatte Roger Tyson sich mit dem Rücken zum Felsen aufgestellt und war in die Gegenrichtung losmarschiert – zweimal nach Süden und je einmal nach Norden und Osten. Jedes Mal war er innerhalb einer Viertelstunde zum Orientierungspunkt zurückgekehrt. Er hatte nicht unachtsam die Richtung geändert, davon war er überzeugt. Als er nach Osten ging, hatte ihm die Sonne ständig grell ins Gesicht geleuchtet – und doch war er nach einer Viertelstunde wieder auf den allgegenwärtigen Felsen gestoßen.
    Nun saß er mit geschlossenen Augen im Schatten des wuchtigen Blocks. Die Hitze prallte auf ihn nieder, reflektierte vom Boden, strahlte von dem Stein in seinem Rücken ab. Der Wassermangel machte ihn bereits schwach und apathisch. Wenn es so weiterging, hielt er nicht bis zum Sonnenuntergang durch – und die Dunkelheit war die einzige Erleichterung, auf die er hoffen konnte. Nicht, daß es etwas ändern würde. Er konnte dieser Landschaft der Illusionen nicht entrinnen …
    Das war es! Die Gegend existierte in Wirklichkeit nicht; sie war nichts als eine Schöpfung seiner Fieberträume. Mit dieser Schlußfolgerung kam das Gefühl, daß er die Täuschung, nun da er sie durchschaut hatte, ignorieren konnte. Roger konzentrierte sich auf die Realitäten des Alltags: Werbeslogans, Touristenattraktionen, Rotarier, blitzende Stoßstangen, Zweitwimpern …
    Er öffnete die Augen. Um ihn erstreckte sich immer noch die leblose Wüste. Illusion oder nicht, er wurde sie nicht los.
    Aber verdammt, so etwas konnte es nicht geben! Ein Aufwallen gesunden Zorns brachte ihn auf die Beine. Es mußte einen Schlüssel dafür geben – irgendeine schwache Stelle, die sich durch genaue Beobachtung entdecken ließ. Er würde sich einen Ausgangspunkt suchen und Schritt für Schritt die Situation analysieren, in der er sich befand. Diesmal wählte Roger als Orientierung eine Felsnadel, die mindestens zehn Meilen entfernt lag. Er ging langsam und blieb häufig stehen, um das Gelände zu beobachten. Er wußte nicht genau, was er suchte, aber die Falle, in die er geraten war – und als solche betrachtete er seine Umgebung nun –, erinnerte ihn ein wenig an ein Goldfischglas, in dem der verwirrte Fisch immer wieder mit der Nase gegen eine unsichtbare Barriere stößt, die ihn unerbittlich zurück zum Ausgangspunkt führt. Die Barriere hier war nicht fühlbar, eine dreidimensionale Wand; aber wie bei einem Goldfischglas mußte es möglich sein, ihr direkt gegenüberzutreten, anstatt an ihr entlangzugleiten wie ein Fisch, der immer parallel zu seiner Gefängniswand schwimmt.
    Eine Abweichung vom gewohnten Anblick einer Landschaft weckte Rogers Aufmerksamkeit. Er mußte minutenlang ganz scharf hinsehen, bis er den Unterschied erkannte: die Gegenstände vor ihm schienen nach rechts und links zu gleiten, wenn er näherkam. Diese scheinbare Bewegung an sich war eine normale Wirkung der Perspektive; aber die Bewegungsgeschwindigkeit stimmte nicht. Die Felsblöcke, die auf der Ebene vor ihm verstreut lagen, schienen zu rasch zur Seite zu weichen – und genau im Scheitelpunkt seines Sichtkreises befand sich eine kaum wahrnehmbare, senkrechte Turbulenz, eine Linie, die verschwand, wenn er stehenblieb, und die sich wieder genau vor ihm zeigte, wenn er weiterging. Es war nichts Greifbares, wie er sah; lediglich eine Ebene, an der entlang sich die Landschaft ausdehnte. Noch während er seine Beobachtungen anstellte, tauchte weiter vorn ein winziger Gegenstand auf; er wuchs mit jedem Schritt, bis der vertraute Felsbrocken hundert Meter vor Roger im Weg lag. Roger drehte sich um. Der Felsen war nicht mehr zu sehen; die Klippen leuchteten orangerot in der Abendsonne.
    »Also gut«, sagte er, und seine Stimme war ein einsamer Laut in der schweigenden Unendlichkeit, die ihn umgab. »Es ist eine Art Linseneffekt. Eine vierdimensionale Linse vielleicht. Eine Benennung hilft zwar nicht viel,
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