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Zeitfinsternis

Zeitfinsternis

Titel: Zeitfinsternis
Autoren: David S. Garnett
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er in der Lage sein, mit ihnen fertig zu werden. Wenn er aber auf der anderen Seite seine Machtansprüche gleich anmeldete, würde er für jedermann mit einer Pistole und einem bißchen Ehrgeiz eine Zielscheibe abgeben. Es blieb allerdings auch noch die Möglichkeit, die Schächte zu verstopfen oder von Männern mit dem Befehl bewachen zu lassen, jeden, der hochkam, umzubringen. Die Möglichkeiten waren praktisch nicht zu zählen. Er konnte sogar nach Osten gehen, wie er das ursprünglich vorgehabt hatte.
    Er wußte, daß er sich nie entscheiden würde. Er würde die Dinge sich selbst regeln lassen, abwarten, was die Zukunft brachte, und sich für den Sprung auf die richtige Seite bereithalten, wenn die Welt zerbrach.
    Es klopfte leise an die Tür. Benini ging durch das Zimmer, um nachzusehen. Draußen stand ein junger Page. Sein Gesichtsausdruck spiegelte die Befürchtung wider, daß er für das, was er sagen wollte, sofort versteinert werden würde. Er sagte es trotzdem.
    „Ihre Majestät befiehlt Euch zu sich, Sire.“
    „Tatsächlich? Dann bring mich hin, junger Mann.“
    Was wollte Attila wohl? Er hatte Benini bisher nur selten rufen lassen. Es sah fast so aus, als vertraute er ihm nicht, als hätte er keinen Glauben in seine Fähigkeiten, als zweifelte er seine Geschichte an, daß Fell ihn zu seinem Nachfolger ernannt hatte, nachdem er von einem haarigen schwarzen Dämon tödlich verwundet worden war. Attilas Witz, den er vor einigen Tagen gemacht hatte, hatte Benini nicht besonders gefallen – daß der König selbst von solchen Dämonen angegriffen worden war. Als ob irgend jemand diese haarsträubende Geschichte glauben konnte, wenn er nicht ein Vollidiot war.
    Der Mann und der Junge gingen hoch zu den privaten Räumen Attilas im oberen Teil des Gebäudes. Benini jedoch würde sich nicht die Mühe machen herauszufinden, was der König wollte. Das war seine Gelegenheit, seinen wirklichen Einfluß auf den Marionettenherrscher des Saarlands zu zeigen.
    „Ah, Zauberer“, sagte Attila, als Benini in eines von den kleineren Zimmern kam, das bis auf einen einzigen Stuhl und zwei Wachen leer war. Attila saß mit dem Gesicht zur Tür auf dem Stuhl. Der Page ging nicht mit hinein.
    „Weißt du, was passiert ist? Das solltest du eigentlich. Du hättest mich informieren sollen. Bist du nicht dazu da?“
    Benini stand da und sagte kein Wort. Wovon redete er überhaupt? Was war passiert? Den Sturz des Ersten konnte er nicht meinen, da er über diese Dinge nicht informiert war.
    „Weißt du, wovon ich spreche? Antwort!“
    „Wenn Ihr es mir sagt, dann weiß ich es.“
    „Was ich meine ist, daß die lothringische Armee in unser Land eingefallen ist. Hör mir mal zu…“
    Benini hob die Hand. „Nein, jetzt hört Ihr mir mal zu“, sagte er. Mit der anderen Hand griff er nach seiner Pistole.
    Als er danach griff, trat einer der Posten drei Schritte vor und durchbohrte ihn mit seinem Schwert. Er fiel tot zu Boden.
    „Warum hast du das getan?“ sagte Attila. Er blinzelte heftig, als könne er das nicht glauben, was er gerade gesehen hatte.
    „Ich dachte, er wollte Euch angreifen, Sire“, sagte der Posten.
    „Ihr könnt gehen“, sagte der König. „Alle beide.“
    „Aber Sire…“
    „Geht! Jetzt kann er mir nichts mehr tun.“
    Die beiden Soldaten zogen sich unter Verbeugungen zurück.
    Der König konnte es dem Posten nicht übelnehmen. Er war nicht nur ein Trottel, sondern auch noch neu; man konnte von ihm nicht erwarten, daß er über Zauberer alles wußte – und wer wußte schon alles über sie? Vielleicht hatte er recht gehabt, und der, der sich Zauberer genannt hatte, wollte ihn wirklich angreifen. Jetzt war es vorbei, nichts mehr war daran zu ändern. Wenn man ihn gefragt hätte, dann hätte Attila nie gedacht, daß es so leicht sei, einen Zauberer zu töten. Vielleicht war er ja gar kein echter Zauberer gewesen oder auch nur irgendein Magier. Er hatte sich nicht wie ein Zauberer benommen, und er hatte von der lothringischen Invasion nichts gewußt. Wahrscheinlich war er ein Betrüger gewesen, noch immer nichts anderes als ein Hofnarr, der eine neue Rolle gespielt hatte.
    Er hatte ihn rufen lassen, um herauszufinden, was man mit den Angreifern anfangen konnte, aber daß er jetzt keine Antworten mehr von ihm bekommen würde, das war klar. Was hatte er erwartet? Daß er ein Dämonenheer heraufbeschwören würde? Vielleicht. Und jetzt würde er sich mehr auf konventionelle Streitkräfte verlassen müssen:
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