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Zeit der Sternschnuppen

Zeit der Sternschnuppen

Titel: Zeit der Sternschnuppen
Autoren: Herbert Ziergiebel
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nicht mehr, und ich hätte meinen Entschluß wieder rückgängig gemacht.
    Als sich Aul etwas gefangen hatte, sagte ich: »Aul, Liebes, jeder von uns beiden ist mit tausend Fäden an seine Welt gebunden. Wir kehren in sie zurück und nehmen ein Geheimnis mit in eine unbekannte Zukunft. Die Monate unserer Gemeinsamkeit sind kostbarer als alle Schätze der Erde und des sechsten Mondes.«
    Nach einer Weile antwortete Aul: »Du wirst in mir weiterleben, solange ich denken werde. Ich danke dir für alles. Die uferlose Liebe gibt es wohl nur in euren Märchen und Sagen.«
    »Es war ein Märchen, was wir erlebten. Könnte ich doch mit dir in Verbindung bleiben, doch wohin du zurückkehrst, waltet nur noch die Vernunft. Ein oder zwei Jahre werden für dich vergangen sein, dann gehört diese Gegenwart längst einer fernen Vergangenheit an. Deine Erinnerung wird einem lange vermoderten Menschen gelten.«
    »Ich weiß es«, sagte sie, »aber nicht nur in der ›Quil‹ waltet die Vernunft. Wir haben uns beide von ihr leiten lassen, trotz unserer Liebe. Es ist gut so; im Gefühl stehenzubleiben und sich nur im Gefühl zu äußern ist eines Menschen nicht würdig.« Wir gaben uns beide Mühe, unsere Empfindungen zu versachlichen. Es half uns über die quälenden Abschiedsminuten hinweg. Was wir uns wirklich zu sagen hatten, bedurfte keines Wortes mehr. Um uns tiefe Stille, ein würdevolles Schweigen, in dem nur das Pochen unserer Herzen zu vernehmen war. Abschied für immer, und dennoch kein Sterben. Im Unwiderruflichen lag die tröstliche Gewißheit, daß uns Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft durch eine unsichtbare Brücke bis an unser Ende miteinander verbanden. Jede Zukunft mußte einmal Gegenwart werden, jede Gegenwart Vergangenheit.
    Während wir schweigend in enger Umarmung beisammensaßen, erinnerte ich mich an das erregende Gespräch mit Me und besonders an eine Bemerkung, deren Sinn ich damals nicht sogleich erfassen konnte. »Blicke zurück in die Vergangenheit, und du wirst dich erkennen und deine Zukunft ahnen…« Jetzt, in diesem feierlichen Augenblick des Abschieds, begriff ich ihn. Und ich wußte nun auch, daß er meinen Entschluß verstehen und achten würde.
    Es brannte wie eine offene Wunde, als Fritzchen plötzlich eintrat und rücksichtslos verkündete: »Transporter eingetroffen.«
    Aul löste ihren Arm, stand auf. Ihr bleiches Gesicht erinnerte mich an eine schreckliche Stunde im Tunnellabyrinth des sechsten Mondes. Mit leiser Stimme erteilte sie über ein Sprechgerät Anweisungen an die Besatzung, forderte dann Fritzchen auf, die Heizlampen und meine Einkäufe an Bord zu bringen. Unfähig, etwas Vernünftiges zu denken, stand ich ebenfalls auf und ging hinaus. Matt glänzend hob sich der Transporter auf dem Schnee ab.
    Wir hielten uns an den Händen; der Schnee auf der Wiese hemmte unsere Schritte, aber die Silhouette des Transporters rückte unaufhaltsam näher. Als uns noch wenige Meter trennten, blieb Aul stehen. »Hans, Lieber…«, sagte sie, und ich war auf etwas ungeheuer Wichtiges gefaßt, doch sie setzte ihre Einleitung fort: »In deinem Haus wird es jetzt sehr kalt werden. Zieh dich warm an, damit du dich nicht erkältest.«
    »Ich werde deinen Rat bis an mein Ende nicht vergessen«, erwiderte ich. Es war bewundernswert, wie sie ihre Gefühlsaufwallungen verdrängte, und ich spielte das Spiel dankbar mit. Der nahe Transporter erschien mir wie ein Raubvogel, der mir das Herz aus der Brust reißen wollte.
    Wir hatten die Treppe erreicht. Fritzchen stand bereits in der Einstiegsluke. Das grüne Licht ließ Auls Gesicht noch blasser wirken. Ich gab ihr Grüße an den Vater auf.
    Sie sagte auf einmal nachdenklich: »Ich weiß nicht, wann es Me gefällt, euer Sonnensystem zu verlassen. Solange wir in Jupiternähe bleiben, könnte ich dir ab und zu ein Zeichen geben.«
    »Ein Zeichen von dir? Wie hast du dir das vorgestellt?« »Es wären Grüße von mir, die nur du verstehen könntest. Erinnerst du dich an die Katapultanlage, mit der wir Sternschnuppen in der Jupiteratmosphäre erzeugten?«
»Wie könnte ich das je vergessen, Aul.« Ich ahnte, worauf sie hinauswollte. »Mondmädchen«, rief ich begeistert, »wenn das wirklich möglich wäre…«
»Mathematisch ist das kein Problem«, sagte sie. »Du würdest meine Grüße als leuchtende Sternschnuppen sehen.«
Auf eine derart phantastische Idee konnte nur Aul kommen. Liebesgrüße aus dem Kosmos, nur für mich entschlüsselbar. »Es wäre wunderbar,
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