Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeit der Sternschnuppen

Zeit der Sternschnuppen

Titel: Zeit der Sternschnuppen
Autoren: Herbert Ziergiebel
Vom Netzwerk:
Angesprochene wechselte mit dem Oberarzt einen vielsagenden Blick und verließ unverzüglich das Arbeitszimmer; jedoch nicht, um den Elektriker zu verständigen, sondern um Dr. Kallweit zu Rate zu ziehen.
Hauschild blieb bei seinem Chef. Er glaubte zu ahnen, welche Tragödie sich hier vor seinen Augen vollzog. Alles deckte sich mit den geheimnisvollen und verworrenen Äußerungen des Professors vor dem Schwesternzimmer. Der Oberarzt verfügte über genügend Erfahrungen, um bestimmte Symptome rechtzeitig zu erkennen. Hier lag zweifellos eine geistige Überanstrengung vor…
    Dieser nicht vorauszusehende Zwischenfall war die Ursache, daß wenig später Dr. Kallweit in mein Zimmer trat, um mir die Entlassungspapiere auszuhändigen. Er hatte es eilig, wünschte mir alles Gute und sagte weniger freundlich zu Aul: »Sie hätten sich getrost etwas früher bemühen können. Ihretwegen hat sich Herr Weyden in eine unangenehme Situation gebracht.«
    »Ich weiß«, antwortete Aul bekümmert, »leider läßt sich die Flugbahn nicht willkürlich bestimmen, zumal sich Jupiter jetzt entfernt und wir einem Meteoritenschwarm ausweichen mußten.«
    Einen Augenblick sah es aus, als wollte der Doktor aufbrausen. Er besann sich jedoch und knurrte trübe lächelnd: »Kinder, hört endlich auf mit eurem Unsinn, mir reicht es langsam. Der Chef fängt auch schon an zu spinnen – total überarbeitet. Wenn das so weitergeht, verschreibe ich mir selber eine Kur.«
    Es interessierte mich, was mit dem Professor vorgefallen war. Als Kallweit von dem Bild und der Fensterscheibe berichtete, zog mich Aul zur Seite und erklärte mir wispernd die Zusammenhänge. »Soll ich den Irrtum aufklären? Ich könnte diesen Doktor schnell überzeugen…«
    »Du wirst dich ganz still verhalten«, flüsterte ich.
    Kallweit wollte sich verabschieden. Ich sagte: »Sie begehen einen großen Fehler, Doktor. Professor Grasmais ist so gesund wie Sie und ich…«
    »Das dürfte sich Ihrer Beurteilung entziehen«, wurde ich belehrt. »Er ist bereits so durchgedreht, daß er Ihre Bekannte mit Aul anredete.«
    Ein ernster Fehler, dachte ich, wenn er weiter so plaudert, kann er gleich in mein Zimmer einziehen. Um wenigstens das Schlimmste zu verhüten, sagte ich: »Trotzdem irren Sie sich. Meine Freundin ist, wie Sie wissen, Kunststudentin. Sie wollte den Schinken in Grasmais’ Arbeitszimmer auf seine angebliche Echtheit überprüfen. Dabei ist er runtergefallen. Die zerbrochene Fensterscheibe kommt ebenfalls auf ihr Konto. Der Professor hatte so viel gepafft, daß sie ihn bat, das Fenster zu öffnen – dabei ist die Scheibe zerbrochen…«
    Kaliweit sah Aul mißtrauisch an. »Das ist mir neu«, brummte er, »davon hat der Chef nichts gesagt.«
»Es war aber so«, bestätigte Aul nachdrücklich.
Ich zog meinen Wintermantel an, entnahm meinem Nachtschrank ein Päckchen, legte es auf das Bett. Das Päckchen enthielt alle empfangenen Tabletten. Es war ein wunderbares Gefühl, von allem Zwang befreit zu sein. Irgendwo hielt sich Fritzchen hier verborgen, wachte über Aul und mich. Fast bedauerte ich, daß er sich hier nicht zeigen durfte – vermutlich hätte sich dann auch Kallweit in Behandlung begeben müssen.
Wir hatten uns verabschiedet. Als wir die Treppen hinuntergingen, war es mir, als hörte ich aus dem dritten Stockwerk die gereizte Stimme des Professors. Er schien heftig gegen etwas zu protestieren.

25
    Alle Schleusen des Glücks hatten sich über mir geöffnet; der Götter wohlwollendes Lächeln ruhte auf mir. Me hatte mir Aphrodite gesandt und die Freiheit geschenkt. Ich war nun in der Tat frei im idealsten und anarchischsten Sinne dieses Wortes. Die Welt bis zu den Sternen stand mir offen. An meiner Seite ein zauberhaftes Mädchen, unsichtbar in unserer Nähe ein gescheiter Schutzgeist, ein »Djini«, der über unsere Sicherheit wachte. Waren nicht all meine Träume in Erfüllung gegangen? Hatte ich mir nicht einmal gewünscht, mit Aul auf der Erde zu weilen und Fritzchen als rührigen Hausgeist bei uns zu haben? Ungeahnte Möglichkeiten eröffneten sich mir. Ja, ich hätte Grund zu ungetrübter Freude gehabt, wäre meine neugewonnene Freiheit von Dauer gewesen. Doch mir verblieben nur eine Nacht und ein Tag, dann sollte uns der Transporter abholen. Diese »Conditio sine qua non« für meine Freiheit lag nun wie ein Abgrund vor mir.
    Es lohnte nicht einmal, wie ich es mir so sehr gewünscht hatte, für Aul Kleider zu kaufen. Sie wollte auch nichts davon
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher