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Zeit der Sternschnuppen

Zeit der Sternschnuppen

Titel: Zeit der Sternschnuppen
Autoren: Herbert Ziergiebel
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seine eigene Beobachtung vom Vortage. Er strich über den Fuchsbalg. »Das Luder holt keine Henne mehr…« Obwohl ich bedauerte, in Karmig keinen Zeugen für mein nächtliches Erlebnis gefunden zu haben, war ich doch zufrieden, als er mit seinem Fuchsbalg endlich fortging, um die Prämie zu kassieren. Hätte er meine Beobachtung bestätigen können, wüßte es in wenigen Stunden die ganze Umgebung. Womöglich wären dann am Abend ganze Scharen von Schaulustigen eingetroffen.
Ich kroch unter die Decke und war in wenigen Augenblicken eingeschlafen. Im Traum sah ich sie zurückkommen, ein Heer von fleißigen Kobolden; sie putzten und scheuerten die Küche, brachten mir Schokoladenpudding mit Vanillesoße und einen Haufen kleiner Sterne, die sie ausquetschten, damit ich den Saft trinken konnte. Ich trank die halbe Milchstraße leer und erwachte schließlich mit einem Angstschrei, weil ich den Polarstern verschluckt hatte.
    2
    Die Nachmittagssonne strich mir übers Gesicht. Vor meinem Bett hockte der Kater und mauzte in allen Tonarten. Er schmeichelte, schnurrte, schimpfte mit mir, blickte mich mit seinen Bernsteinaugen an und sagte, roh übersetzt, etwa folgendes: »Du Lieber, du Guter, du elender, fauler Hund! Steh endlich auf und gib mir meine Milch, oder fange dir die Mäuse gefälligst selber, es ist gleich drei Uhr!«
    Er mußte noch eine Weile betteln, ehe ich wieder ganz auf der Erde war. Und auch jetzt gab es zunächst Wichtigeres für mich als seine Milch. War alles nur ein verrückter Traum gewesen? Der Wandschrank zog mich mit magischer Kraft an. Ich holte den Pappkarton hervor, betrachtete meinen Fund mit der Hingabe eines Briefmarkensammlers, dem der Wind über Nacht die Blaue Mauritius zugeweht hatte.
    Nein, kein Traum, der Beweis lag vor mir, ein unfreiwilliger Gruß aus dem All. In mir waren noch die Märchen meiner Kindheit lebendig; Riesen und Zwerge und Zauberer schlummerten in meinem Unterbewußtsein. Trugen sich nicht in Märchen und Sagen solche unglaublichen Begebenheiten zu? Ein seltener Stein oder ein geschliffener Kristall offenbarte seinem Finder künftige Ereignisse, verhalf ihm zu Reichtum und Macht. Mein nächtliches Erlebnis erschien mir nun beinahe wie ein Märchen, entzündete meine Phantasie immer wieder aufs neue. Sie werden wiederkommen, sagte ich mir, heute oder morgen, irgendwann einmal. Dann werde ich zu ihnen gehen, vorbereitet. Ich werde ihnen zuwinken und ihnen den Gegenstand zurückgeben…
An diesem Nachmittag verrichtete ich zum ersten Male nach langer Zeit die stumpfsinnigste aller Arbeiten mit Gelassenheit. Ich wusch das Geschirr der vergangenen Tage ab, scheuerte die Küche, hatte vom Fenster aus immer die Wiese im Auge.
    Als die Sonne hinterm Wald versank, hielt mich nichts mehr im Haus. Ich hatte mir einen Hocker mitgenommen, plazierte ihn so, daß ich alles gut überblicken konnte. Von einem in der Nähe gelegenen Tümpel drang das Gequake der Frösche zu mir herüber. Ich hatte weder Sinn für das Froschkonzert noch für den leuchtenden Abendhimmel am Horizont.
    In meiner Rocktasche steckte der Fund, lastete wie ein Alpdruck auf mir. Ich hatte keinen besonderen Plan, hoffte auf den Zufall. Alles erschien mir einfach, das Absurde meines Vorhabens normal. Ich fürchtete in diesen Stunden nur, Besuch zu bekommen. Bekannte aus der Stadt planten seit langem, mich unverhofft zu überraschen. Es wäre eine peinliche Situation geworden. Schließlich konnte ich ihnen nicht sagen: »Bitte, verhaltet euch still, ich erwarte jeden Augenblick Besuch aus dem All…«
    Das war das Groteske: Ich konnte mein Erlebnis niemandem glaubhaft machen. Vielleicht hätte ein Physiker oder Chemiker feststellen können, daß mein Fund nicht von der Erde stammte. Sollten sie wider Erwarten nicht zurückkommen, konnte ich den Gegenstand von Fachleuten überprüfen lassen. Und wenn sie wirklich kamen? Ich malte mir aus, wie sie über die Wiese gingen, voran der Kommandant, einen Ölzweig oder irgendein Symbol des Friedens in der Hand. Vielleicht verneigte er sich vor mir und spräche: »Sei gegrüßt, Bruder im Geiste. Seit langem wissen wir, daß von allen Erdenmenschen du der würdigste bist. Wir kommen aus dem Sternbild der Plejaden…«
    Hör auf mit diesen Spinnereien, befahl ich mir. Es gab keinen Anlaß, die Angelegenheit spaßig zu finden. Was verbarg sich hinter ihren geheimnisvollen nächtlichen Landungen? Warum traten sie eigentlich nicht offiziell mit der Erde in Verbindung? Und wieso
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