Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeit der Raubtiere

Zeit der Raubtiere

Titel: Zeit der Raubtiere
Autoren: Liza Klaussmann
Vom Netzwerk:
melancholisch.«
    »Das Leben ist ohnehin melancholisch – warum also noch darauf herumreiten?«, sagte Hughes, der gerade mit den Getränken zurückkam. »Aber das da ist ja nicht Blues, das ist Swing.«
    Im schwindenden Licht sah Nick, dass er ihre Weinflasche vom Rasen aufgehoben hatte. »Du hältst dich für wahnsinnig schlau, was?«
    »Du müsstest mich eigentlich auch für schlau halten, immerhin hast du mich geheiratet«, konterte Hughes, ihr Lächeln erwidernd, und reichte ihr einen Martini.
    »Haben Sie schon mal Robert Johnson gehört?«, fragte Charlie. »Das ist echter Blues. Südstaaten-Blues. Nichts für Nachtclubgäste.«
    »Was haben Sie gegen Leute, die in Nachtclubs gehen?« Nick war froh, den Ball auffangen zu können. Froh, dass wenigstens irgendetwas passierte. Sie drehte sich zu Charlie um.
    »Gar nichts, abgesehen von ihrem Musikgeschmack vielleicht«, sagte er und lächelte sie ruhig an.
    Nick wollte etwas erwidern, überlegte es sich aber anders. Sie musterte ihn mehrere Sekunden lang und versuchte herauszufinden, wie betrunken sie wirklich war. Sie hörte die Käfer in der Nacht singen. Das Rauschen der Palme an der Rasenecke. Ihr Veilchenparfum vermischte sich mit der milden südlichen Nachtluft. Sie hörte Hughes über Elises Heimatstadt reden, irgendwo in Wisconsin. Und sie hörte die Bläser.
    Neben ihr in dem mit Chintz bezogenen gemieteten Sessel saß dieser Mann, der sie mit einem Grinsen ansah, das von Spelunken-Jazz und Motelzimmern kündete.
    »Entschuldigen Sie mich einen Augenblick«, sagte Nick. Beim Aufstehen stützte sie sich auf die Sessellehne, um die Balance zu halten. »Die Küche ruft.«
    »Ich helfe Ihnen«, sagte Charlie.
    »Das ist wirklich nicht nötig.« Nick nahm ihr Martiniglas und hielt es vor sich hin wie eine Rüstung.
    »Ich bin ein wahrer Könner in der Küche. Fragen Sie Elise!«
    Elise warf ihrem Mann einen ungerührten Blick zu, machte sich aber, was Nick auffiel, nicht erbötig, an seiner statt zu helfen.
    Auf dem Weg ins Haus wagte Nick es nicht, sich umzudrehen. Sie öffnete den Kühlschrank und nahm die geschälte Gurke heraus.
    »Wenn Sie die bitte in Scheiben schneiden würden.« Sie reichte ihm die Gurke nach hinten weiter.
    »Messer?«
    »In der Schublade unter dem Spülbecken«, sagte sie, während sie die Krabben aus dem Kühlschrank holte.
    »Vom Krabbenkutter?«, fragte Charlie, den Blick auf die Schüssel gerichtet.
    »Ja«, antwortete Nick lachend.
    »Von welchem?«
    »Wie meinen Sie das, von welchem?«
    »Dem um fünf Uhr?«
    »Ja. Welchen gibt es denn noch?«
    »Den Morgenkutter«, sagte Charlie. Die Scheiben, die er von der Gurke schnitt, waren etwas zu dick für Nicks Geschmack. »Den um Punkt sieben. Er verkauft die besten Krabben, und man kriegt auch mehr.«
    »Und woher, bitte, wissen Sie das?«, fragte Nick spöttisch grinsend.
    »Krabben kaufe immer ich. Elise mag den Kanal nicht.«
    Nick begann mit der Zubereitung der Zitronensauce. Sie verquirlte ein Eigelb mit dem Saft am Boden der Schüssel.
    »Wenn Sie möchten, nehme ich Sie mal mit und zeige es Ihnen«, sagte Charlie. »So, die Gurke ist fertig.« Er kam mit dem Schneidbrett auf sie zu und blieb hinter ihr stehen.
    Nick hörte auf mit dem Verquirlen.
    »Haben Sie Platten von Robert Johnson?«, fragte sie.
    »Ja«, sagte Charlie. »Möchten Sie sich die mal anhören?«
    »Ja. Und zum Krabbenkutter möchte ich auch. Das interessiert mich.«
    »Gut.«
    Nick begann wieder zu quirlen. Die Sauce verfärbte sich zu einem sämigen blassen Gelb.
    »Ihre Gurke«, sagte Charlie.
     
    »Ich finde die beiden nett«, sagte Nick, während sie den Tisch abräumte.
    »Er ist ein guter Arbeiter.« Hughes starrte in seinen Scotch. »Manchen Männern ist es offenbar völlig egal, ob die Arbeit am Schiff jemals zu Ende geht. Vor allem solchen ohne Familie.«
    »Die haben eben niemanden, zu dem sie zurückkönnen.« Nick drehte den Wasserhahn auf und warf Hughes einen Blick zu. »Aber dieser Charlie gefällt mir. Er will mir den Krabbenkutter zeigen.«
    »Ach, wirklich? Na, Elise hat es ja wohl nicht so mit der frischen Luft.«
    »Bisschen zimperlich«, sagte Nick.
    »Aber ziemlich attraktiv.«
    »Findest du? Ich dachte schon, sie würde gleich im Boden versinken und wir müssten sie den ganzen Abend suchen.« Nick schrubbte an einem Teller herum. »Aber er ist ein ziemlich schneidiger Bursche.«
    »Tja, da bist du nicht die Einzige. Er hat zahlreiche Verehrerinnen in der Kantine.«
    »Das setzt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher