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Zehnundeine Nacht

Zehnundeine Nacht

Titel: Zehnundeine Nacht
Autoren: Charles Lewinsky
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Handschlag abgeluchst, und die ganze Sache sei deshalb nicht gültig.
    ‹Du hast zwei Fässer Wein und vier Schinken bekommen›, sagte der Jüngste.
    ‹Das ist der Beweis, dass ich nicht bei Sinnen war›, sagte der Mittlere. ‹So etwas wäre doch ein lächerlicher Kaufpreis für einen Drittel-Anteil an einem so schönen Hof.›»
    «Und der älteste Bruder?», fragte der König. «Der hatte schließlich richtiges Geld bekommen.»
    «Das bestritt er auch gar nicht. Aber er meinte, das sei kein Kaufpreis gewesen, sondern eine notwendige Betriebsausgabe. Nur mit den Almosen, den Prozessionen und den Gebeten hätten er und die anderen Büßer das drohende Unheil im allerletzten Augenblick noch abwenden können. Er habe etwas unternommen, im Gegensatz zu den beiden andern. Ohne seine Anstrengungen wäre die Welt unweigerlich untergegangen, und vom Hof wäre nichts übriggeblieben. Wenn er es recht überlege, gebühre ihm deshalb eigentlich ein bedeutend größerer Anteil als nur so einbescheidenes Drittel. Aber im Geist brüderlicher Eintracht verzichte er auf diesen seinen gerechten Anspruch.
    Sie wurden sich nicht einig, und ...»
    Das Handy des Königs klingelte. Er schaute auf das Display, sprang aus dem Bett und schloss sich im Badezimmer ein.
    Die Prinzessin sah sich nach dem Nachtfalter um, aber er war nirgends mehr zu sehen. Wahrscheinlich hatte er sich die Flügel verbrannt.
    Der König kam zurück und stieg in seine Hose. «Ist etwas passiert?», fragte die Prinzessin.
    «Halt dich aus meinen Geschäften raus», sagte der König. Er zog sich sein Unterhemd über den Kopf und fand in der Eile den Ausgang für den Kopf nicht gleich. Durch den Stoff klang seine Stimme ganz ungewohnt, als er fragte: «Und wie geht die Geschichte aus?»
    «Der Älteste und der Mittlere taten sich zusammen», sagte die Prinzessin, «und erschlugen den Jüngsten. Es war eine Zeit, in der die Menschen viel vergessen wollten, und so fragte nie jemand nach ihm.»
    «Wie haben sie es gemacht?», fragte der König und knöpfte sein Hemd zu.
    «Was meinst du?»
    «Wie haben sie ihn erschlagen?»
    «Mit einem zweiunddreißiger Ringgabelschlüssel», sagte die Prinzessin.
    Der König schlüpfte in seine Schuhe und ging zur Tür. «Backpulver», sagte er.

Die zehnte Nacht
    «Ich bin gar nicht hier», sagte der König. «Bin seit Wochen nicht hier gewesen. Kapiert?»
    «Wie du meinst», sagte die Prinzessin.
    «Falls dich jemand fragt.»
    «Wer sollte mich fragen?»
    «Niemand», sagte der König.
    «Und wenn doch – kenne ich dich überhaupt?»
    «Wer weiß das schon?», sagte der König.
    «Sie könnten mir ein Foto zeigen.»
    «Du siehst dir deine Kunden nicht so genau an.»
    «Weil mich nur ihr Geld interessiert.»
    «Genau», sagte der König.
    «Geld macht allerdings vergesslich», sagte sie. «Je mehr Geld, desto vergesslicher.»
    Der König grinste und angelte nach seiner Brieftasche. «Aber dafür will ich eine besonders gute Geschichte hören», sagte er.
    Die Prinzessin faltete die Banknote ganz klein zusammen und ließ sie verschwinden. «Es war einmal ein Mann», begann sie, «der erfand für andere Leute deren Leben.»
    «Das kapiere ich nicht», sagte der König.
    «Du bist ja auch nicht hier.»
    «Stimmt», sagte der König.
    «Er war ganz zufällig zu diesem Beruf gekommen», erzählte sie weiter. «Einer seiner Freunde hatte ihn einmal um Hilfe gebeten. Er wollte seine Frau betrügen und brauchte einen plausiblen Grund, um eine ganze Woche lang nicht nur verreist, sondern auch unerreichbar zu sein. Der Mann, von dem diese Geschichte handelt, erfand für ihn Angelferien an einem abgelegenen norwegischen See, wo es leider, leider kein Funknetz gab. Er war ein gründlicher Mensch, und deshalb brachte sein Kumpel eine Hose mit nach Hause, an der Fischschuppen klebten, und in der Tasche seiner Windjacke fand sich, wie achtlos vergessen, die Quittung eines Restaurants in Oslo. Seine Frau schöpfte keinen Verdacht. Dass sie sich ein Jahr später doch von ihm scheiden ließ, hatte mit einer ganz anderen Affäre zu tun.»
    «So einen Freund müsste man haben», sagte der König.
    «Das dachten viele, die davon erfuhren. Und manche waren bereit, für seine Dienste zu bezahlen.»
    «So wie ich dich bezahle.»
    «Nein», sagte die Prinzessin, «sie waren großzügiger.»
    Der König lachte und schob die Brieftasche von ihr weg. «Später vielleicht», sagte er. «Wenn mir die Geschichte gefällt.»
    «Sie wird dir gefallen», sagte
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