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Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen

Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen

Titel: Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen
Autoren: Hallgrimur Helgason
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Boise, Idaho, der jetzt bei den »Schneifel Stickholmers« (oder so ähnlich) spielen wird - einer Mannschaft in der isländischen Liga.
    Ach ja. Sorry. Ich habe ganz vergessen, Sie daraufhinzuweisen, dass dieser Icelandair-Flug ein Nichtraucherflug von New York nach Reykjavik/Island ist. Das war die Überraschung, die mich an Gate 2 erwartete. Meine Verbannung führt mich jetzt Richtung Norden.
    Dann und wann verschwindet Seinfeld von den Fernsehern und weicht einer Info-Karte: Ein rotes Flugzeug von der Größe Großbritanniens kriecht langsam den Atlantik hinauf, an irgendetwas Weißem vorbei, von dem der Quatschkopf in meiner Sitzreihe sagt, es wäre Grönland. Island sieht dagegen ziemlich grün aus. Natürlich hat er eine Theorie darüber, wie diese Verwechslung zustande kam: Als die norwegischen Wikinger irgendwann vor dem Jahr 1000 Island entdeckt hatten, fanden sie dort irische Mönche vor, die das Land Island nannten, was so viel bedeutete wie Land Christi, denn Jesus hieß in ihrer Sprache Isu. Die Wikinger verwechselten dann den Messias mit >Eis<. Zum Glück. Sonst würde ich jetzt nach Jesusland fliegen.
    »Ok. Und was ist dann mit Grönland?«, fragt der Basketballspieler.
    »Die ersten Siedler wollten Island für sich alleine, also haben sie die andere Insel Grönland genannt, damit die nächste Auswanderungswelle dorthin geht. Der erste PR-Gag der Geschichte, kann man wohl sagen. Dabei sollte es eigentlich umgekehrt sein. Grönland sollte Island heißen und Island Grönland.«
    Cool. Ich fliege unter Pseudonym in ein Land mit Pseudonym. Gar nicht so schlecht. Ich habe sogar schon mal von diesem Land gehört. Ein Freund von Dikan ist mal hingeflogen, rein geschäftlich. »Helle Nächte, lange Mädchen«, hat er gesagt. Oder umgekehrt? Es ist eine ziemlich kleine Insel (na ja, doppelt so groß wie unser Land) mitten im Nordatlantik. Das Bordmagazin zeigt Mondlandschaften und sonnig lächelnde Menschen, moosbewachsene Felsen und fusselige Pullover. Im Vergleich zu anderen Ländern ist Island anscheinend noch minderjährig und als solches offenbar für jeden Blödsinn zu haben: Vulkanausbrüche, Erdbeben, Lava und kochendes Wasser, das auf die Oberfläche spritzt. Ich frage mich, was Reverend David Friendly an diesen entlegenen Ort führt. Also mich. Ich muss anfangen, wie ein Priester zu denken.
    Gott segne mich.
    Ich versuche erneut, eine bessere Position für meine schmerzenden Beine zu finden. Die Stewardessen haben allesamt hübsche, stromlinienförmige Körper und sprechen sehr selbstbewusst Englisch. Helle Mädchen, lange Nächte. Ja, das war es. Der isländische Look scheint eine Mischung aus Julia Stiles und Virginia Madsen zu sein. Breite, von hohen Wangenknochen abgeschirmte, unbeeindruckte Gesichter. Kalte Augen, kühle Lippen. Eine von ihnen reicht mir ein Tablett mit Essen und schenkt mir ein unschuldiges Nein-ist-der-aber-niedlich!-Lächeln. Muss wohl an dem Hundehalsband liegen, das ich trage. Ich bin kein Mann mehr. Ich bin ein Priester.
    So gesehen scheint der Kragen zu funktionieren. Er hält die Sünden ab. Oder alle in mir drin. Meine Gedanken geben Munita frei, und ich versuche, mich in das Bett einer dieser nordischen Nymphen zu fantasieren. Ohne Erfolg. Munita behält die Oberhand. Ich vermisse jetzt schon ihre weiche Haut. Ihre warme und ölig-goldene, superweiche Haut.
    Das Essen schmeckt gleichzeitig nach Huhn, Pute und Fisch. Der Quatschkopf informiert den Basketball-Spieler darüber, dass es sich um ein Stück aus der Keule einer einheimischen Spezialität namens kalkún handelt. Vor meinem inneren Auge erscheint ein Polartier mit schockgefrorenem Blick; ein Mini-Walross mit Hühnerbeinen und Hahnenkamm.
    Plötzlich erhebt der Quatschkopf seine Stimme, gleichzeitig sein Glas und sagt so was wie »Skoll!«, lächelt erst den Basketball-Spieler an, dann mich und erklärt, dass das die isländische Version von »Prost!« sei und irgendwas mit Schädel zu tun habe, weil die Wikinger auf ihren Siegesfeiern gern aus den Schädeln ihrer Opfer getrunken haben.
    Ich mag dieses Land jetzt schon.
    Nach dem Abendessen versuche ich zu schlafen. Nach jedem Mord brauche ich mein Nickerchen. Allerdings scheine ich der Einzige an Bord zu sein, der etwas dösen will. Die Wikinger fordern weitere Schädel voller Cognac. Dann beginnt der Pilot seine Unterhaltungsnummer, die tiefe Stimme dröhnt aus dem viel zu laut eingestellten Lautsprecher direkt über mir. Wie alle seine Kollegen spricht auch
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