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Zauber-Schloss

Titel: Zauber-Schloss
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beobachtete, vielleicht in der Gestalt einer Siehmichnicht-Mücke oder so. Es kam vor, daß Grundy wegen seines bissigen, losen Mundwerks in Schwierigkeiten kam und Dor ebenfalls, aber es war die Sache wert.
    Die Bibliothek des Königs war auf dem gleichen Flur, nur wenige Türen weiter. Dort fand man den König immer, wenn ihn nicht dringende Geschäfte davon abhielten, und manchmal sogar dann noch. Es war zwar nicht allgemein bekannt, aber Dor hatte es von den Möbeln erfahren, daß die Königin manchmal auf Geheiß des Königs ein Trugbild von ihm schuf, um irgendeinen untergeordneten Beamten empfangen zu können, wenn ihn wichtigere Dinge woanders festhielten. Aber mit Dor tat der König das nie.
    Dor schritt direkt auf die Bibliothek zu. Im Gang sah er ein Gespenst entlanghuschen. Millie war nur eines von einem halben Dutzend Gespenstern gewesen und das einzige, das wieder zum Leben erweckt worden war. Die anderen spukten noch immer umher. Dor mochte sie. Sie waren freundlich, aber ziemlich scheu und ließen sich leicht erschrecken. Er war sicher, daß jedes von ihnen eine eigene Geschichte zu erzählen gehabt hätte, doch wie Millie waren auch sie äußerst zurückhaltend, wenn es um sie selbst ging.
    Er klopfte an die Tür. »Komm herein, Dor«, antwortete die Stimme des Königs sofort. Er schien immer zu wissen, wenn es Dor war, der klopfte, auch wenn die Königin ihn nicht angemeldet hatte.
    Dor trat ein. Plötzlich war er verlegen. »Ich… äh… wenn Ihr nicht zu beschäftigt seid –«
    König Trent lächelte. »Ich bin beschäftigt, Dor. Aber deine Angelegenheit ist wichtig.«
    Plötzlich schien das gar nicht mehr zu stimmen. Der König war ein gesetzter, ergrauter Mann, der alt genug war, um Dors Großvater sein zu können, aber er sah immer noch sehr gut aus. Er trug eine bequeme Robe, die etwas ausgebleicht und fadenscheinig war; er verließ sich auf die Königin, ihn in die passenden Trugbilder zu hüllen, also brauchte er gar keine wirkliche Kleidung. Im Augenblick wirkte er sehr entspannt und zwanglos, und Dor wußte, daß er auf diese Weise dafür sorgen wollte, daß Dor sich genauso fühlte. »Ich… äh… ich kann ja auch ein anderes Mal wiederkommen…«
    König Trent runzelte die Stirn. »Damit ich mich mit dem nächsten Vertragszusatz herumquälen muß? Meine Augen sind jetzt schon müde!« Eine verirrte Blauflaschenfliege summte um seinen Kopf herum, und der König verwandelte sie gedankenverloren in einen kleinen Blauflaschenbaum, der aus einer Schreibtischritze emporwuchs. »Komm, Magier, laß uns ein wenig plaudern. Wie geht’s denn so?«
    »Na ja, wir sind eben einem großen Frosch begegnet –« fing Grundy an, doch als der König ihn anblickte, verstummte er sofort.
    »Äh, eigentlich wie immer«, sagte Dor. Der König wollte ihm den Weg bahnen. Warum ging er nicht darauf ein und sprach aus, was ihm auf dem Herzen lag?
    »Ist euer Hüttenkäse noch intakt?«
    »O ja, dem Haus geht’s gut. Gibt allerdings einen Haufen freche Antworten.« Was für eine geistlose Antwort!
    »Ich habe gehört, daß du dich mit Knacks dem Oger angefreundet hast.«
    Wußte der König eigentlich alles? »Ja, ich habe ihm geholfen, Krach, sein Kind, wiederzufinden.«
    »Aber meine Tochter Irene mag dich nicht.«
    »Nicht besonders.« Dor wünschte, er wäre zu Hause geblieben. »Aber sie…« Dor fehlte es an Worten für ein höfliches Kompliment. Irene war ein hübsches Mädchen, aber das wußte ihr Vater sicherlich auch schon. Sie ließ Pflanzen wachsen… aber sie hätte ein mächtigeres Talent haben sollen. »Sie –«
    »Sie ist noch jung. Allerdings sind auch reifere Frauen häufig noch rätselhaft. Manchmal scheinen sie sich über Nacht in völlig andere Wesen zu verwandeln.«
    Grundy lachte. »Das kann man wohl sagen! Dor hat sich in Millie das Gespenst verguckt!«
    »Halt’s Maul!« rief Dor, außer sich vor Wut und Scham.
    »Eine außergewöhnliche Frau«, meinte der König und tat so, als habe er Dors Äußerung überhört. »Achthundert Jahre lang ein Gespenst, und plötzlich wieder in der Gegenwart zum Leben erweckt. Ihr Talent macht sie für eine gewöhnliche Tätigkeit im Palast ungeeignet, aber als Kindermädchen in eurer Hütte hat sie doch gute Arbeit geleistet. Jetzt wirst du erwachsen und mußt damit anfangen, dich auf die Pflichten eines Erwachsenen vorzubereiten.«
    »Erwachsen?« fragte Dor immer noch verschämt. Nicht der Königinnen-Frosch hatte das Maul zu weit aufgerissen,
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