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Zander, Judith

Zander, Judith

Titel: Zander, Judith
Autoren: die wir heute saagten Dinnge
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sick man bloot nich upspääln. Ji mööten juch nich
grugen mooken looten vun dääm, wi künn n em tiedig nauch stutzen!«
    Und die Gemeinde hob an zu
singen, denn es war ein leidlich bekanntes Lied, jedoch des Pastors Blick fiel
auch auf jene, die untereinander aufgebrachte Worte flüsterten, er aber betrachtete
sie wohlgefällig.
    G ar heimlich
führt er sein G ewalt,/ er ging in meiner armen G 'stalt,/den T eufel wollt er fangen.
    An die Tür der kleinen Kirche
begab nach dem Gottesdienste der Pastor sich, um zu verabschieden seine Schäfchen.
Unter all ihnen aber konnte er nicht mehr finden die Eheleute Bölschow, und
auch die nachfolgenden Sonntage musste er ihrer vergeblich harren. Bei sich
aber dachte er: das Wort des Herrn, durch ihn verkündet, habe sie so sehr
erbauet, dass sie fürderhin keiner weiteren Stärkung bedürften. Und er dankte
Gott für alles, was Er an ihm getan hatte.
    In der Wirklichkeit war es
anders. Ich bin nicht spazierengegangen, und die Gemeinde hat nicht gesungen.
Gesungen habe ich, und ich bin gelaufen, gejoggt, wozu sie hier nicht anders
als >geschockt< sagen mögen, was mich ihren kreativen Umgang mit der
Sprache nur neuerlich bewundern lässt, schaffen sie es doch damit, Ursache und
Wirkung in einem Worte zu vereinigen.
    Vergib mir, mein Gott, ich
kann nicht anders. Meine Nächstenliebe ist mein Urteil, und umgekehrt. Und
auch den sachten Ärger über Anna Hanskes Ableben sieh mir nach, der aus dem
eigennützigen Trachten nach meinem Vorteil erwuchs, denn sehr zu meinem Vorteil
wäre es gewesen, hätte ich noch ein wenig länger am Beispiel ihres Lebens
lernen dürfen,
    und hüt
dich vor der M enschen S atz,/davon
verdirbt der edle S chatz:/ das lass ich dir zur letze.
    Doch dann gab sie keine
Antwort, an dem Morgen, sie lag noch in ihrem hohen, kurzen, schon lang wohl
nur noch einseitig beschlafenen Bett, und ihr Tod war die letzte Lektion für
mich. Sie hatte wie immer die Tür nicht verschlossen, der Tisch in der Küche
war für das Frühstück gedeckt, als wollte sie sagen, halb so wild, komm rein
und iss erst mal einen Haps. Niemand hat ihr wohl den Tod zugetraut, aber ich
glaube, sie hat gewusst, mit wem sie es da zu tun hat, und dass es nicht lohnt,
seinetwegen einen Aufwand zu betreiben. Mitnehmen wollen hatte ich sie zum Arzt
in die Stadt, sie hatte über diesen Termin gelacht und mit dem Kopf geschüttelt
und endlich recht behalten. Nun nahm sie mich mit. Die Sonne schien auf ihre
Schulter, so dass man, als man sie anfasste und nicht weckte, nicht einmal
erschrecken musste ob der Kälte des letzten Schlafes. Hoffährtig mag es sein,
aber glauben muss ich es doch, dass ich der Einzige wohl war, der ein wenig um
sie weinte. Ach, verzeih, Peter Hanske, wovon aber war dein Gesicht so rot und
bildete einen so hehren Kontrast zum fernen Weiß deiner Schwester?
     
    HARTMUT
     
    Die war da. Die war wirklich
da. Hat Britta erzählt, die mit Mutter hingegangen ist, komisch eigentlich,
weil ja beide anscheinend gar nicht hinwollten, Britta hat immerzu
rumgestöhnt, dass sie nichts zum Anziehen hat, und denn die ganzen Leute, sieht
ja aus, als ob man auch nur gaffen will, und außerdem, ne, was denn die alte
Hanske sie angeht, und Mutter hat nur gesagt: »Na, doo mööten wi woohl.«
    Als ich gesagt hab: »Na, sie
war ja wohl deine Freundin, oder nich, ihr wart doch früher und so«, hat sie
mich bloß so von oben herab angeguckt und gesagt: »Jouo, Hartmut, du weitst dat
nu wedder allet bääder, nä.« Gnatzig war sie, hab ich genau gemerkt, weil sie
da nu hinmuss, und dann trau ich mich auch noch, ich, der verlorene Sohn, sie
da an was zu erinnern.
    Sie spricht immer Platt mit
mir, wenn sie schlechte Laune hat, also so gut wie nur. Hab ich schon
rausgekriegt, dass das so eine Art Trotz bei ihr ist, ne, sone Macke. Die denkt
nämlich, wenn sie mit nem Lehrer Plattdeutsch redet, fühlt der sich irgendwie
dadurch beleidigt, weil Platt ja nur für kleine Leute ist. Weshalb sie das auch
sprechen darf, weil sie ja zu den kleinen Leuten gehört, »klein, aber nich
doof«, und deshalb kann sie auch »sääh gut«, wie sie sagt, Hochdeutsch, aber
das hebt sie sich für die etwas Besseren auf, und für sich selber. Echt wahr,
die spricht Hochdeutsch mit sich selber; ich hab sie mal belauscht, da hat sie
so komische Sachen gesagt wie: »Warum hast du das bloß gemacht?«, und ich war
erst nicht sicher, ob sie da mit irgendwem quatscht oder was, aber dann hab ich
gemerkt, dass sie da
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