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Zahltag

Zahltag

Titel: Zahltag
Autoren: Natalie Schauer
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verschwunden — wie die anderen auch. Nun war sie alleine. Ein paar ältere Kinder tummelten sich auch noch in diesem Haus, doch sie sprachen kein Wort mit ihr. Es würde ohnehin nicht lange dauern, bis sie auch von hier wieder verscheucht wurden. Keiner wollte sie haben. Sie waren Abfall, Wegwerfprodukte. Mila dachte an ihre Mutter. Wo sie wohl sein mochte? Vielleicht hatte sie in der Ferne einen Mann kennengelernt und neue Kinder bekommen, bessere als sie. Oft hörte sie die Stimme ihrer Mutter in ihren Träumen. Sie sang ihr Lieder vor und wiegte sie in den Schlaf. Mila wusste nicht, ob das Erinnerungen waren oder ob sie sich das einfach nur wünschte. Oft überlegte sie, ob es nicht doch besser wäre, wenn sie in das Kinderheim zurückginge. Aber heute noch nicht. Heute würde sie sich schlafen legen und von einer besseren Welt träumen, einer Welt, in der es warm ist, in der man essen hat und eine Mutter, die einen beschützt.

Heute — Ein Jahr nach der Entführung
     
     
    Wolfgang sah auf seinen Kontostand : 271.000 Euro waren zusammengekommen. Max hatte das Haus, die Autos, sein Motorrad und alles andere in nur vier Wochen verkauft. Das war also geschafft. Er hatte es Max und seiner Familie so erklärt, dass er einen Schlussstrich ziehen müsse, um neu anzufangen. Alle hatten ihn verstanden. Er war erstaunt wie leicht es war alle zu überzeugen. Er hätte im Leben nicht freiwillig sein Haus verkauft. Er liebte dieses Haus. Wieso verstanden es also alle anderen so gut? Eigentlich war es ihm egal. Er hatte mit ihnen abgeschlossen. Anfangs halfen sie alle noch mit, doch irgendwann lebte jeder sein eigenes Leben weiter. Nur für Brigitte und ihn blieb die Welt stehen. Alexanders Verschwinden nahm ihnen die Luft zum Atmen. Nun war also nicht nur seine Familie weg, sondern auch sein Hab und Gut. Aber für Alexander hätte er alles getan.
     
    Nachdem das Haus verkauft war, mietete sich Wolfgang in einer kleinen Pension ein. Jeden Tag wartete er nun auf eine Nachricht, doch erst eine Woche nach dem Verkauf kam eine E-Mail von [email protected]. Seine Hände waren schweißnass. Er ging einige Minuten auf und ab, brachte seine Gedanken in Ordnung, bevor er die Mail öffnete:
    Gut gemacht. Lass das Geld auf diesem Konto, denn jetzt wartet bereits die nächste Aufgabe auf dich.
     
    Wolfgang traute sich fast nicht weiterzulesen.
     
    Jefim Sorokin .
    Dieser Mann befindet sich für zwei Wochen in Berlin. Er ist gestern angereist und fährt wieder am Sonntag in zwei Wochen. Er nächtigt in einer kleinen Pension namens Wildes Pferd.
     
    Finde diesen Mann und töte ihn. Das Leben deines Sohnes hängt von deiner Entscheidung ab.
     
    Wolfgang zitterte am ganzen Leib. Er hatte von diesem Namen noch nie etwas gehört. Auf was hatte es der Entführer abgesehen? Er konnte unmöglich diesen Mann töten.
    Er saß in seinem Pensionszimmer und seine Gedanken kreisten um Alexander. Es war nie einfach mit ihm gewesen. Er war ein anstrengendes Kind und machte als Teenager Probleme, doch irgendwann hatten sie vergessen , welch ein Glück sie mit ihm hatten. Jetzt war er verschwunden und seine Frau tot. Würde er für seinen Sohn zum Mörder werden?
    Draußen fing es an zu regnen. Die Tropfen schlugen hart an die Fensterscheibe. Wolfgang beobachtete das wilde Treiben und fühlte sich schwer und alleine. Vor vielen Jahren hatten er und Brigitte am Strand im strömenden Regen getanzt. Sie waren sehr verliebt gewesen — damals. Seine Augen füllten sich bei dem Gedanken mit Tränen, doch er konnte sich solche Sentimentalitäten im Moment nicht leisten. Er ging ins Bad, wusch sich mit kaltem Wasser das Gesicht und ging zurück zu seinem Schreibtisch. Dann fing er an, konzentriert zu arbeiten. Er googelte den Namen Jefim Sorokin , der osteuropäischer, wahrscheinlich russischer Abstammung sein musste. Wolfgang war noch nie in Russland gewesen, hatte auch keine Verbindungen dahin. Wie erwartet fand er nichts. Was sollte er auch finden? Es gab unzählige Männer mit diesem Namen. Er dachte nicht darüber nach, doch er packte eine kleine Reisetasche und machte sich auf den Weg zum Bahnhof. Es war nur ein Fußweg von 20 Minuten.
    Als er ankam war er klatschnass und als er in der Eingangshalle stand fiel ihm ein, dass er nicht danach geschaut hatte , wann ein Zug fuhr. Wie dumm von ihm. Er ging nach rechts zum Schalter. Alle waren belegt, wie immer. Er wartete rund 10 Minuten, bis er dran kam.
    „Den nächsten Zug nach Berlin
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